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Sport: Das zentrale Problem

Herthas Trainer Hans Meyer sucht noch nach der Idealbesetzung für das defensive Mittelfeld – Niko Kovac konnte in dieser Rolle noch nicht überzeugen

Maspalomas. Niko Kovac schleppte einen Plastikstuhl heran und setzte sich zu Hans Meyer. Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn ein Spieler im Trainingslager auch mal ein ausführliches Gespräch mit seinem Trainer führt. Ungewöhnlich ist es nur, wenn gerade ein Spiel läuft und der Spieler von der Ersatz- zur Trainerbank zitiert wird. Eine Viertelstunde redete Meyer auf Kovac ein, erklärte und gestikulierte, während Hertha BSC gegen den Hamburger SV spielte. Meyer hatte Kovac zu sich bestellt, um ihm am lebenden Objekt zu demonstrieren, „was ich von dem Mann im defensiven Mittelfeld erwarte“.

Herthas Trainer kann sehr ausdauernd über diese Position erzählen, „die überall in der Welt ausgesprochen unterschätzt wird“. Wahrscheinlich hängt das mit ihrer Geschichte zusammen. Früher wurden die Leute im defensiven Mittelfeld ein wenig herablassend als Wasserträger bezeichnet, die nur dazu da waren, den Regisseuren die Drecksarbeit abzunehmen. Im modernen Fußball aber ist diese Form der Arbeitsteilung längst aufgehoben. Der defensive Mittelfeldspieler unterbindet die Angriffe des Gegners und leitet im selben Moment den Gegenangriff ein.

Hans Meyer spricht ganz gern vom kontrollierenden Mittelfeldspieler: „Es ist ein Mann, der über den Dingen steht.“ Einen solchen Mann sucht Herthas Trainer in seinem Kader bisher vergebens, und die passende Besetzung könnte in der Rückrunde zum – im wahren Sinne des Wortes – zentralen Problem werden.

Neu ist das nicht. Bereits seit Jahren fahndet Manager Dieter Hoeneß nach einem geeigneten Mann für diese Position – obwohl es in Pal Dardai jemanden in Herthas Kader gibt, der diese Rolle angeblich ausfüllen kann. Dem Ungarn aber mangelt es am strategischen Vermögen. Als Kämpfer passt er eher ins traditionelle Rollenbild von der Nummer 6. Ganz anders als Stefan Beinlich, der gerade wegen seiner technischen Fähigkeiten zeitweise für die Position ausersehen war. Der ist aber nicht mehr bei Hertha.

Die Hoffnung, dass die Verpflichtung von Niko Kovac das Problem lösen könnte, ist inzwischen ebenfalls verflogen. Kovac hat in der Vorrunde die nötige Sachlichkeit vermissen lassen, mit der sich eine moderne Nummer 6 schmückt. Manchmal hatte man den Eindruck, dass er lieber die Nummer 10 sein möchte, der Spielmacher, der für seine schönen Pässe gefeiert wird. Der Mann im defensiven Mittelfeld wird selten gefeiert. Im Gegenteil: Er hat immer dann überragend gespielt, wenn er dem breiten Publikum überhaupt nicht aufgefallen ist – weil er mit seinem strategischen Geschick viele Situationen, die gefährlich hätten werden können, gar nicht hat entstehen lassen. Einer der Besten in der Bundesliga ist der 36 Jahre alte Kroate Zvonimir Soldo vom VfB Stuttgart. „Dabei hat man das Gefühl, dass er gar nicht mehr richtig laufen kann“, sagt Meyer.

Herthas Trainer hat verschiedene Varianten getestet: Im Trainingsspiel durfte sich Josip Simunic versuchen. Simunic aber hat im Moment zu viel mit sich selbst zu tun. Gegen Anderlecht sollten sich daher Kovac und Dick van Burik die Rolle teilen, ein Modell, „das nicht sonderlich gut geklappt hat“, wie Meyer sagt. „Wir haben zu viele Spieler, die kein Gefühl für Gefahr haben.“ Wenn van Burik nach vorne ging, eilte Kovac hinterher – anstatt dessen Vorstöße abzusichern.

Meyers Suche wird dadurch erschwert, dass Pal Dardai nach seiner Verletzung gestern zum ersten Mal überhaupt unter dem neuen Coach trainieren konnte. „Das drückt mich“, sagt Meyer. Dardai könnte vor der Abwehr den Abräumer geben, während Dick van Burik aus der Viererkette heraus die strategischen Aufgaben übernimmt. Von den Kandidaten verfügt der Holländer über das größte strategische Geschick. Möglich ist auch, dass van Burik aus der Abwehr komplett ins defensive Mittelfeld vorrückt. Gegen den HSV hat er eine Halbzeit lang auf dieser Position gespielt. Das habe ganz gut geklappt, sagt van Burik, „aber es geht noch besser“. Falsch. Es muss besser gehen.

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