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DAS SPIEL MEINES LEBENS: WOLFGANG FUNKEL: 19.03.1986, Bayer Uerdingen – Dynamo Dresden 7:3 Wolfgang Funkel, 54, Fußballer

In der Halbzeit saßen wir mit hängenden Köpfen da – 1:3! Keiner glaubte noch an das Weiterkommen.

In der Halbzeit saßen wir mit hängenden Köpfen da – 1:3! Keiner glaubte noch an das Weiterkommen. Hin- und Rückspiel zusammengezählt lagen wir ja sogar mit 1:5 hinten. Und das in 45 Minuten noch zu drehen – ein Ding der Unmöglichkeit. Wir waren sehr offensiv ausgerichtet in das Spiel gegangen, drei Tore waren die Maßgabe, um das Halbfinale im Europapokal der Pokalsieger zu erreichen. Als wir uns dann aber das 0:1 fingen – in der ersten Minute –, war das wie ein Schlag mit dem Hammer. Und so saßen wir also in der Kabine und unser Trainer Karl-Heinz Feldkamp appellierte an unsere Moral. Wir sollten da jetzt rausgehen und vielleicht noch ein Unentschieden holen. Nach gut einer Stunde bekamen wir dann einen Strafstoß zugesprochen. Ohne mir groß Gedanken zu machen, drosch ich den Ball in meine Lieblingsecke, fertig. Und zu diesem Zeitpunkt glaubte immer noch kein Mensch, dass wir Dresden aus dem Wettbewerb schmeißen würden. Aber durch einen Doppelschlag von Gudmunsson und Schäfer gingen wir zehn Minuten später in Führung. Und nun war der Teufel los. Jeder brüllte irgendwas und schlug in die Hände, Feldkamp peitschte uns nach vorne, es war noch ausreichend Zeit für ein Wunder. Dann machte Klinger in der 80. das 5:3 und bei unserem nächsten Angriff zeigte der Schiedsrichter plötzlich erneut auf den Punkt. Ich legte mir den Ball zurecht und suchte den Blick meines Bruders. Meine Mitspieler standen da mit den Händen vorm Gesicht, ich holte tief Luft. Das Ding könnte jetzt alles entscheiden, dachte ich, also mach ihn bloß irgendwie rein! Der Schiedsrichter gab den Ball frei, ich ging eine halbe Ewigkeit zum Anlauf zurück und überlegte fieberhaft, in welche Ecke ich schießen soll. Rechts, links, oben, unten. Im letzten Moment drückte ich ihn wieder in meine Lieblingsecke – drin. Friedhelm kam als Erster angerannt, ich hätte in diesem Moment das ganze Stadion umarmen können. Ach, was sage ich, die ganze Welt!

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