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DAS SPIEL MEINES LEBENS: MARCEL RADUCANU: 31.07.1981, Borussia Dortmund – Rumänien 2:2 Marcel Raducanu, 57, Fußballer

Aufgezeichnet von Dirk Gieselmann Sportlich betrachtet habe ich in Rumänien in den 70er und 80er Jahren eine tolle Zeit erlebt. Doch unter dem damaligen Diktator Nicolae Ceausescu hatte man kaum Möglichkeiten, sich wirklich zu entfalten – außer eben im Sport.

Aufgezeichnet von Dirk Gieselmann

Sportlich betrachtet habe ich in Rumänien in den 70er und 80er Jahren eine tolle Zeit erlebt. Doch unter dem damaligen Diktator Nicolae Ceausescu hatte man kaum Möglichkeiten, sich wirklich zu entfalten – außer eben im Sport. Ich bin nicht geflohen aus Rumänien, weil es mir schlecht ging. Vielmehr wollte ich mir und allen anderen beweisen, dass ich es überall schaffen kann. Es sollte mein Schicksal sein, in Deutschland zu bleiben. Eine lange Geschichte, kurz erzählt. Ein Freund von mir, der schon in Deutschland lebte, besuchte mich 1981 bei einem Freundschaftsspiel der rumänischen Nationalmannschaft in der Nähe von Kassel. Ich sagte ihm, dass ich nicht wieder nach Rumänien zurückkehren wollte – und wir schmiedeten einen Plan: Beim Spiel gegen Borussia Dortmund sollte ich eine Verletzung vortäuschen und mich auswechseln lassen. Also ließ ich mir in der Pause mein Knie dick bandagieren und jammerte über Schmerzen, die ich eigentlich nicht hatte. Plötzlich war ich allein in der Kabine. Ich nahm meine Tasche und ging aus dem Stadion. Draußen wartete mein Freund im Wagen, und wir fuhren los. Ich tauchte für ein paar Wochen unter, fühlte mich sicher. Aber dann kam das Heimweh. Ich kontaktierte meine Familie übers Telefon, obwohl ich wusste, dass die Gespräche abgehört wurden. Einmal rief der rumänische Geheimdienst zurück und schrie: „Wir kriegen dich, Verbrecher!“ Und dann kam die Angst. Mittlerweile stand ich in Dortmund unter Vertrag. Ich informierte den Verein, die Verantwortlichen organisierten Personenschutz. Auch unser Mannschaftsbus wurde zwischenzeitlich vor Auswärtsspielen durchsucht. Zu Hause in Rumänien konfiszierte der Geheimdienst meinen gesamten Besitz. Und meine über alles geliebte Mutter sah ich erst acht Jahre später wieder, nach dem Ende der Diktatur. An diesem Tag haben wir geweint und gelacht, gelacht und geweint – alles gleichzeitig!

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