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Magny Cours

© dpa

Datentransfer: Spione in der Boxengasse

Zwei Rennställe der Formel 1 werfen sich Spionage vor; es geht um Pulver in Benzintanks und Hausdurchsuchungen. Zu allem Überfluss sind Ferrari und McLaren auch noch die absoluten Spitzenteams der Saison.

Die Formel 1 hat ihre große Spionageaffäre. Es geht um Sabotage, mysteriöses Pulver in Benzintanks, geheime Daten und Hausdurchsuchungen. Als wäre das noch nicht genug an Dramatik, spielt sich dieser Krimi auch noch zwischen den beiden absoluten Spitzenteams ab, die sich derzeit einen erbitterten Kampf um den WM-Titel liefern. Und so langsam kommt ein bisschen Licht ins Dunkel der Affäre um den inzwischen von Ferrari entlassenen Techniker Nigel Stepney, der jahrelang der Chefmechaniker von Michael Schumacher bei den Roten war.

Inzwischen hat Ferrari offiziell bestätigt, Anzeige gegen Stepney wegen des „Diebstahls von Informationen“ erstattet zu haben. Gleichzeitig wurden auch juristische Schritte gegen einen Mitarbeiter des konkurrierenden Rennstalls McLaren-Mercedes in England eingeleitet, der der Empfänger eines ganzen Bündels von im April übergebenen Geheimunterlagen sein soll. Jener wurde von seinem Team auch sofort suspendiert, nachdem bei einer Hausdurchsuchung in England offenbar eindeutig belastendes Material gefunden worden war. McLaren-Mercedes distanzierte sich massiv und verurteilte das Verhalten des Mitarbeiters, ohne jedoch einen Namen zu nennen. Britische Medien hatten indes nicht viel Mühe herauszufinden, um wen es sich wohl handelt: um Mike Coughlan, den Chefdesigner von McLaren. Der Skandal zieht sich also bis in die obersten Etagen.

Rennwagen mit weißem Pulver manipuliert?

Vor einigen Wochen hatten Zeitungen erstmals über die offenbar bewusst von Ferrari lancierten Sabotagevorwürfe gegen Stepney berichtet. Der Engländer soll demnach beide Rennwagen vor dem Großen Preis von Monaco manipuliert haben, indem er ein weißes Pulver in die Tanköffnungen schüttete. Ferrari bestätigte diese Gerüchte nie offiziell. Am vergangenen Wochenende beim Großen Preis von Frankreich in Magny-Cours war aus Ferrari-Kreisen dann zu vernehmen, Stepney habe außerdem geheime Handynummern hochrangiger Ferrari-Mitarbeiter an vom Konkurrenten Honda entsandte Headhunter weitergeleitet.

Ein offenes Geheimnis in der Szene ist es, dass Stepney sich bei Ferrari seit geraumer Zeit unglücklich fühlte, weil er nach dem Weggang von Technikchef Ross Brawn nicht wie erhofft befördert wurde. Die Vermutung liegt nahe, dass der 48-Jährige versuchte, sich mit speziellen Mitbringseln Eintrittskarten in ein anderes Top-Team zu verschaffen. Dass Stepney dabei die persönlichen Kontakte zu Mike Coughlan nutzen wollte, mit dem er über Jahrzehnte in verschiedenen Teams zusammengearbeitet hatte, klingt ebenfalls nicht unlogisch. Nigel Stepney bestreitet alle Vorwürfe. „Er hat mir versichert, dass er überhaupt nichts zu verbergen und nichts zu befürchten hat“, sagte Stepneys Anwältin Sonia Bartolini.

Ähnliches Verfahren endete mit Bewährungsstrafe

Die Affäre ist längst nicht die erste solcher Art in der Formel 1. Es kommt nur verhältnismäßig selten ans Tageslicht, wenn sich die Beteiligten clever anstellen. Ein Verfahren gegen frühere Ferrari-Mitarbeiter, die nicht ganz so geschickt waren und geheime Informationen zu ihrem neuen Arbeitgeber Toyota mitnahmen, endete kürzlich nach vier Jahren mit einer Verurteilung zu Bewährungsstrafen.

Die sportlichen Auswirkungen sind indes eher gering. Dass die Suspendierung von Coughlan das McLaren-Mercedes-Team im laufenden WM-Kampf dieser Saison technisch zurückwerfen könnte, ist eher unwahrscheinlich. Normalerweise hat ein Chefdesigner in dieser Phase kaum etwas mit der Weiterentwicklung des Autos zu tun. Zudem setzt McLaren-Mercedes eher auf einen Pool gleichrangiger Ingenieure als auf das große Einzelgenie, das Coughlan auch nicht ist. Die Unruhe dürfte freilich nicht gerade hilfreich sein. Der Teamführung um Ron Dennis tut sich da neben dem internen Duell der Piloten Lewis Hamilton und Fernando Alonso intern gleich noch eine zweite Baustelle auf. Vor allem, weil die Frage nach einer Mitwisserschaft der Bosse allen Dementis zum Trotz wohl immer wieder auftauchen wird. Zwar sind der Ferrari und der McLaren vom Konzept komplett verschiedene Autos und ist die heutige Formel 1 viel zu komplex, um auf die Schnelle den großen Geistesblitz zu transferieren. Doch es wird Mutmaßungen geben, ob die deutliche Leistungssteigerung bei McLaren-Mercedes seit dem Rennen in Monaco irgendwie mit den erhaltenen Ferrari-Daten zusammenhängen könnte. McLaren beeilte sich entsprechend, diesen Eindruck zu entkräften. Eine interne Untersuchung habe ergeben, dass Coughlan die Daten nicht weitergegeben habe: „McLaren kann sicherstellen, dass keinerlei geistiges Eigentum von Ferrari an den Autos verwendet worden ist.“ Der Motorsport-Weltverband Fia hat dennoch eine Untersuchung eingeleitet.

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