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Einer der größten Siege seiner Karriere. Jan-Lennard Struff bejubelt den Klassenerhalt mit Deutschland.

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Update

Davis Cup: Deutsche Tennismänner bleiben erstklassig

Die deutschen Tennismänner verbleiben dank Jan-Lennard Struff in der Weltgruppe des Davis Cups. Gegen Portugal holt der 27-Jährige am Sonntag in einem dramatischen Match den Siegpunkt.

Die Umarmung mit Boris Becker fiel besonders innig aus. Jan-Lennard Struff hatte den deutschen Tennismännern gerade den Klassenverbleib in der Weltgruppe des Davis Cups gegen Portugal gesichert, da begann das große Abklatschen. Struff ging der Reihe nach vor, auf dem Platz war erst Teamchef Michael Kohlmann dran, dann die restlichen Mitglieder der deutscher Mannschaft auf der Tribüne. Becker, in einem blauen Polo-Shirt gekleidet, beugte sich vor, und es schien fast so, als wollte er Struff gar nicht mehr loslassen. Der 27-Jährige hatte in einem dramatischen Spiel gegen Portugals Nummer eins Joao Sousa sogar einen Matchball abgewehrt, am Ende siegte er 6:0, 6:7 (3:6), 3:6, 7:6 (8:6), 6:4 und holte damit den entscheidenden dritten Punkt für Deutschland. "Ich bin wahnsinnig happy, dass es am Ende gereicht hat. Es war ein extrem hartes Match. Ich glaube, dass wir heute noch ordentlich feiern werden", sagte Struff.

Gerade bei Becker dürfte die Erleichterung danach groß ausgefallen sein, hatte der 49-Jährige doch erst vor ein paar Wochen die Position des Männerchefs – neudeutsch: Head of Tennis – im Deutschen Tennis-Bund (DTB) übernommen. Da wäre der erste Abstieg im Davis Cup seit 2003 kein wirklich brillanter Einstand gewesen. Es hätte nur noch einmal in aller Deutlichkeit unterstrichen, wie machtlos der Verband letztendlich ist, wenn es um die Zusammensetzung des Männerteams geht.

„Ich freue mich wahnsinnig für die Jungs und für das gesamte Team. Ein Abstieg wäre für uns fatal gewesen. Wir sind in der Breite so gut aufgestellt, dass wir absolut in die Weltgruppe gehören“, erklärte Kohlmann direkt nach Struffs Sieg. Der Teamchef hatte bei der Zusammensetzung der Mannschaft genauso alles richtig gemacht wie bei der Aufstellung. Dass der Relegations-erfahrene Struff das Team anführen würde, war von vornherein klar. Kohlmann hielt an seiner Nummer eins aber auch dann noch fest, als der am Freitag ein enttäuschendes Match gegen Portugals vermeintlich schwächeren Einzelspieler Pedro Sousa gezeigt und in drei Sätzen verloren hatte. Im Doppel am Samstag hatte Struff an der Seite von Tim Pütz ebenfalls lange Probleme, er konnte sich aber in der entscheidenden Phase steigern. Insgesamt stand der Warsteiner von Freitag bis Sonntag im Clube de Ténis do Jamor bei Lissabon rund acht Stunden für Deutschland auf dem Platz – körperlich dürfte er daran noch ein Weilchen zu knabbern haben.

Becker kam im Team die Rolle des heimlichen Motivators zu

Derartige Strapazen, dazu noch auf einem Sandplatz, wollten die eigentlich besten deutschen Profis nicht auf sich nehmen. Alexander und Mischa Zverev sowie Philipp Kohlschreiber hatten im Vorfeld für den Davis Cup abgesagt. So musste es wie im Vorjahr Struff richten, der seinerzeit in Berlin in der Relegation gegen Polen zwei Punkte geholt hatte. Für den wichtigen dritten Sieg hatte in Portugal gleich im Auftaktmatch Cedric-Marcel Stebe gesorgt. Dem 26-Jährigen war gegen Joao Sousa am Freitag das 1:0 gelungen. „Wenn Boris da ist, will man ja auch was zeigen“, hatte der Linkshänder nach dem Spiel gesagt. Am Sonntag musste er dann nicht mehr auf den Platz, das letzte, bedeutungslose Einzel, verlor Yannick Hanfmann 3:6, 6:7 (8:10) gegen Joao Domingues.

Becker kam demnach die Rolle des heimlichen Motivators zu. Er wolle „beim Abendessen positive Stimmung verbreiten und die Matches aufarbeiten“, sagte er am Freitag nach dem 1:1-Zwischenstand. Zumindest unter den Anwesenden war die Laune am Ende der Woche gut, doch die Arbeit für Becker und sein Team ist mit dem Klassenerhalt nicht getan. Im Februar beginnt die neue Saison im Davis Cup, der Gegner wird am kommenden Mittwoch ausgelost. Boris Becker wird hoffen, dass Deutschland ein Heimspiel hat, die Wahrscheinlichkeit, das das bestmögliche Team antritt, würde sich dadurch wohl beträchtlich erhöhen, schließlich könnte der DTB den Belag dann selbst auswählen. Ansonsten – und das hat die Relegation in Portugal gezeigt – kann auch der mit den Zverevs gut vernetzte Becker nur hoffen, dass ein wo auch immer stattfindendes Erstrundenduell den deutschen Topspielern in den Turnier- und Reiseplan passt.

Die Zukunft des Davis Cups ist allerdings nicht nur eine deutsche Frage. Der Wettbewerb hat in den vergangenen Jahren viel von seinem Renommee eingebüßt – auch die Topstars sagen inzwischen bevorzugt ab, wenn ihr Heimatland ruft. Das liegt zuallererst auch daran, dass die Spitzenspieler Federer, Nadal, Djokovic oder Murray den Titel allesamt bereits einmal gewonnen haben und ihr Hunger damit zunächst gestillt ist. Dass ist im Umkehrschluss allerdings auch die Chance für die deutsche Auswahl. Gelingt es, Alexander Zverev klar zu machen, dass auch er von einem Einsatz für Deutschland profitiert, könnte der Davis Cup hierzulande vielleicht eine kleine Renaissance erleben. Immerhin sitzt mit Boris Becker dafür der richtige Mann im DTB am Steuer.

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