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Kohlschreiber

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Davis-Cup: Die Reifeprüfung für Philipp Kohlschreiber

Nach vielen Absagen ist Kohlschreiber der wichtigste Mann im Davis-Cup-Team. Stets hatte er diese Rolle für sich beansprucht, nun ist er in sie hineingewachsen.

Es gab oft Momente, in denen man Zweifel haben durfte, ob der Tennisprofi Philipp Kohlschreiber die richtige Einstellung zu seinem Beruf besitzt. Zweifel daran, dass er tatsächlich Leidenschaft und unbedingten Willen spürt. Diese Zweifel kamen in jenen Momenten, in denen man sich wunderte, dass er sich mehr um die Höhe seiner Antrittsprämie sorgte als um sein Spiel und auf die Frage nach der besonderen Magie des Centre Courts von Wimbledon abschätzig sagte, es sei doch auch nur „irgendein Tennisplatz“. Anderen Spielern ist dieser Ort heilig.

Nicht nur seine forschen Aussagen erregten Unmut, sondern auch die Ansprüche und Sonderrechte, die Kohlschreiber früh in der deutschen Davis-Cup-Mannschaft anmeldete. Für die arrivierten Profis war der Augsburger nicht mehr als ein Emporkömmling. Doch in den vergangenen Wochen bemühte sich Kohlschreiber, dieses Bild zu korrigieren, was wohl nicht allein mit seinem neuen Management zusammenhing. „Ich werde ja auch älter und lerne dazu“, sagt der 26-Jährige und wirkt erstmals so, als rede er nicht bloß leichtfertig irgendetwas daher.

In dieser Woche ist Kohlschreiber in Toulon der unumstrittene Führungsspieler im deutschen Team. Stets hatte er diese Rolle für sich beansprucht, nun ist er in sie hineingewachsen und hat sie sich mit herausragenden Auftritten gegen Österreich und Spanien auch verdient. Und dieses Mal klingt es glaubwürdig, wenn er sagt: „Es macht mir Spaß, für Deutschland zu spielen. Ich werde 100 Prozent geben.“

Er wird es müssen, zunächst im ersten Einzel (13 Uhr, live im DSF) gegen Gael Monfils. Denn nach den zahlreichen Absagen ist Kohlschreiber die einzige Hoffnung von Teamchef Patrik Kühnen. Eigentlich hatte Kühnen für das Erstrundenspiel gegen Frankreich mit Thomas Haas, Kohlschreiber, Philipp Petzschner und Mischa Zverev geplant. Nur einer blieb übrig, zudem sagten auch noch Florian Mayer und Michael Berrer ab. „Persönliche Gründe“ und angebliche „mangelnde Fitness“ wurden beim Verzicht angegeben. Beim einen mag der Grund weniger fadenscheinig gewesen sein als beim anderen, doch Tatsache ist, dass so mancher nach wie vor ein Problem mit Kohlschreiber oder mit Kühnens Art der Teamführung hat.

Der ehemalige Profi Kühnen neigt dazu, sich sehr stark auf jene Spieler zu fokussieren, die ihm gerade wichtig sind, und die übrigen zu vernachlässigen. Im Umgang mit sensiblen Individualisten ist das fatal. Auch Haas konnte Kühnen nach dreijähriger Abstinenz nicht von einem Einsatz überzeugen. Dass es Kühnen vor dem Viertelfinale gegen Spanien gar nicht mehr richtig versucht habe, monierte der 31-Jährige noch zum Jahresbeginn. Es scheint, als hätten auch die laut Kühnen „intensiven Gespräche“ zwischen beiden persönliche Vorbehalte nicht gänzlich ausräumen können. Und dass Haas auch kein Fan von Kohlschreibers forscher Art ist, das ist ein offenen Geheimnis. Er fühle sich nicht fit genug, gab Haas später offiziell an. Dass er sich dann kurzfristig einer Hüftoperation unterzog, überraschte dann allerdings auch Kühnen.

Auch Petzschner war verärgert darüber, im vergangenen Jahr von Kühnen ignoriert worden zu sein, und legte auf den möglichen Relegationstermin im September seine Hochzeit. Zverev dagegen hatte nach der Kritik an seinem missglückten Debüt Rückendeckung vermisst. „Ich muss das respektieren, obwohl ich enttäuscht bin“, sagte Kühnen in Toulon. Mit Rückkehrer Benjamin Becker, der das zweite Einzel gegen Frankreichs Spitzenspieler Jo-Wilfried Tsonga bestreitet, Debütant Simon Greul und Doppelspezialist Christopher Kas nominierte er Spieler, die froh sind, dass sie für ihr Land antreten dürfen. „Unser Teamgeist ist unser Vorteil“, sagte Kühnen, und dieses Mal dürfte er recht behalten. Zwar reisten die Spieler mit Jetlag an, obwohl Kühnen ihnen untersagt hatte, im Vorfeld in Übersee zu spielen. Wenigstens Kohlschreiber hatte auf sein Turnier verzichtet. Und auf ihn wird es ja ankommen.

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