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...und tschüss! Novak Djokovic wird nicht so recht warm mit dem ATP-Finale. Foto: AFP

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Sport: Debakel eines Erschöpften

Die Niederlage von Djokovic steht für die Grenzen der Belastbarkeit im Tennis.

Novak Djokovic stützte genervt die Hände in seine Hüften und schüttelte ungläubig den Kopf. Gerade hatte er einen Volley so verpatzt, dass der Ball sogar mitten in die Zuschauer gesegelt war. Und das war nicht der erste Schnitzer des Abends gewesen, ihm waren schon mehr als 30 unterlaufen. Djokovic mochte nicht glauben, was in diesem zweiten Gruppenspiel des Londoner Tour-Finals der Tennis-Profis mit ihm passierte. Er fühlte sich wie im falschen Film. Er, die Nummer eins der Welt, wurde vom Spanier David Ferrer nach Belieben vorgeführt. „Es war ein furchtbar schreckliches Match“, sagte Djokovic nach der 3:6- und 1:6-Niederlage, „ich habe keine Worte dafür. Das war mein schlimmstes Match der Saison.“

Angesichts seines fabelhaften Laufs in diesem Jahr war der Kontrast besonders groß. Das Gefühl fürs Verlieren war ihm zum Saisonbeginn völlig abhanden gekommen, er gewann sieben Titel und 41 Matches in Folge, bis Djokovic im Halbfinale der French Open von Roger Federer gestoppt wurde. Das Debakel nun gegen Ferrer war erst die fünfte Niederlage in seiner 70. Partie. Drei Grand-Slam-Titel hatte Djokovic in diesem Jahr gewonnen und mit dem Triumph in Wimbledon auch noch Rafael Nadal vom Thron gestoßen. Mit seinen fünf Masters-Titeln stellte der 24 Jahre alte Serbe zudem noch einen Rekord auf. Mehr geht eigentlich nicht.

Dennoch wird er seine Fabelsaison wohl nicht mit dem WM-Titel krönen, Djokovic wirkt am Ende seiner Kräfte. Schon in seinem ersten Gruppenspiel setzte er sich nur mit Glück gegen Tomas Berdych durch. Das Halbfinale zu erreichen, hat der Serbe nun nicht mehr in der Hand und ist von Berdychs Ergebnis in der dritten Partie abhängig. Ferrer hat sich mit seinen Siegen über Andy Murray und Djokovic bereits qualifiziert, der Weltranglistenfünfte wittert nun seine Außenseiterchance. „Sicher war Novak wohl etwas müde, aber ich war richtig gut“, sagte Ferrer. Der 29-Jährige zählt zu den fittesten Spielern der Tour, ist aber wohl auch der unterschätzteste unter den Top Ten. Er könnte von der Schwäche der Topstars profitieren. Denn Nadal ist angeschlagen, Murray hat schon zurückgezogen, Djokovic ist fast draußen, nur Federer ist noch frisch.

Und das liegt an einer sechswöchigen Pause, die sich der erschöpfte Schweizer bis Ende Oktober selbst auferlegte: „Es musste sein, die Saison war einfach hart und zu lang.“ Als Präsident des Spielerrates weiß er, dass besonders die besten Profis den elfmonatigen Turnierkalender beklagen, der ihnen kaum Luft zum Atmen lässt. Doch Änderungen sind schwierig, Interessen von Spielern und Veranstaltern prallen aufeinander. „Es ist eine langwierige Diskussion“, sagte auch Djokovic, „aber wir müssen die Saison verkürzen.“

Er selbst hatte nicht pausiert, obwohl es seine Rückenbeschwerden nach dem US-Open-Sieg im September erfordert hätten. Er trat beim Davis-Cup-Halbfinale in Belgrad an, musste jedoch aufgeben. „Es war wohl doch ein Fehler, dort zu spielen“, gab Djokovic nun zu. Dass ihm unterstellt wurde, er sei nur für die 1,2 Millionen Euro Bonusprämie beim Masters in Paris angetreten, wies Djokovic gekränkt zurück. Ohnehin gewann er mit acht Millionen Euro so viel Preisgeld wie kein Spieler jemals zuvor in einer Saison.

Die nötige Frische lässt sich damit jedoch nicht erkaufen, und so ist Djokovic' Prognose für den Halbfinaleinzug beim Tour-Finale eher verhalten: „Wenn ich nicht mindestens 50 Prozent besser spiele als heute, habe ich überhaupt keine Chance.“

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