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Declan Hill ist Journalist und Dozent. An der Universität Oxford hat der Kanadier über Fußball und organisierte Kriminalität promoviert. Über den Wettbetrug schrieb er das Buch "Sichere Siege".

© dpa

Declan Hill im Interview: "Das wird noch mehr Skandale verursachen"

Der Enthüllungsjournalist Declan Hill spricht im Tagesspiegel-Interview über die Konsequenzen aus dem weltweiten Fußball-Wettskandal.

Mister Hill, in dieser Woche hat Europol einen Wettskandal mit knapp 700 manipulierten Fußballspielen präsentiert. Sie recherchieren selbst seit vielen Jahren als Journalist im Wettmilieu und beraten Interpol. Wie kann der Betrug im Fußball überhaupt eingedämmt werden?

Wir haben es hier mit einem der seltenen Fälle im Leben zu tun, die wir in einem Satz zusammenfassen können: Dan Tan muss verhaftet werden.

... der mutmaßliche Kopf des Wettkartells aus Singapur, gegen den auch ein internationaler Haftbefehl vorliegt ...

...solange er nicht verhaftet wird, sind alle anderen Maßnahmen unglaubwürdig. All die Aufklärungskampagnen, alle anderen Maßnahmen von Sportverbänden. Es gäbe kein besseres Signal, keine bessere Aufklärung, als diesen Mann hinter Gitter zu bringen.

Offenbar halten die Behörden in Singapur die Verhaftung nicht für erforderlich. Und außerdem: Ist die Wettmafia nicht eine Hydra, der mehrere Köpfe nachwachsen, wenn man ihr einen abgeschlagen hat?

Ja, das stimmt. Es gibt andere Kriminelle und es werden auch wieder neue kommen. Aber wenn Dan Tan verhaftet wird, dauert es erst einmal, bis sich neue Strukturen gebildet haben. Es geht auch nicht nur darum, ihn einzusperren, sondern auch, ihm den Prozess zu machen. Er wird aussagen, wer im Sport alles korrupt ist. Das wird noch mehrere Skandale verursachen. Es wird ans Licht bringen, dass auch Funktionäre zu den Betrügern gehören.

Spielmanipulation ist ein Problem mit Angebot und Nachfrage. Hintermänner bieten Geld, Spieler nehmen es an und lassen Tore des Gegners zu. Wie wollen Sie die Spieler schützen?

Da gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen, die die Klubs und die Sportverbände umsetzen können. Die Spieler müssten zum Beispiel ihre Gehälter zuverlässig und regelmäßig bekommen. Ein Beratungsprogramm gegen Spielsucht ist ebenfalls notwendig. Es sollte auch eine Hotline geben, bei der sie anonym Betrugsversuche melden können. Davon sind wir aber noch weit entfernt, und es gibt viele Spieler, die sich nach all den Vorfällen innerhalb des Fußball-Weltverbands Fifa fragen: Kann ich mich wirklich der Fifa anvertrauen?

Hat sich denn das Muster der Spielmanipulation in den vergangenen Jahren verändert?

Das hat es. Früher waren es vier, fünf Spieler, die ein Spiel verschoben, ohne dass der Trainer davon wusste und ohne dass es die Klubführung wusste. Heute geschehen Spielmanipulationen oft mit dem Wissen der Klubführung oder sogar auf ihre Anordnung. Sie sagt dann zu den Spielern: Wenn ihr nicht mitmacht, bekommt ihr euer Gehalt eben nicht.

Viele Manipulationen passieren in unteren Ligen oder bei Spielen von kleineren Nationalmannschaften, denen es egal sein kann, ob sie in der EM- und WM-Qualifikation Fünfter oder Sechster in ihrer Gruppe werden, weil sie sich sowieso nie qualifizieren. Wie lässt sich das verhindern?

Man muss den Verbänden klarmachen, dass sie ihre Ligen und Wettbewerbe aufwerten müssen. Jedes einzelne Spiel muss eine Bedeutung bekommen. Man könnte auch einen eigenen Wettbewerb für die kleineren Klubs und Verbände einrichten, damit sie wieder einen Anreiz und eine Motivation bekommen.

Die Fragen stellte Friedhard Teuffel.

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