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Mit dem Kleintier kam die Wende. Die St. Louis Cardinals konnten am Sonntag über den Einzug ins Finale jubeln. Fotos: Reuters

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Sport: Dem Nager sei dank

Die Baseballer von St. Louis schafften es mit Mühe und Not in die Play-offs. Jetzt spielen sie in der World Series – auch wegen eines Eichhörnchens

Berlin - Baseball ist normalerweise ein ziemlich berechenbarer Sport. Es gibt für jede Spielsituation unzählige Statistiken und Taktiken. Tony La Russa, der knorrige Manager der St. Louis Cardinals, kennt sie alle. Doch so etwas wie in dieser Saison hat selbst der 67-Jährige noch nicht erlebt. „Unglaublich, unfassbar, überwältigend“ sei der Einzug seines Teams in die World Series. Dort empfangen die Cardinals in der Nacht auf Donnerstag die Texas Rangers zum ersten von maximal sieben Endspielen um den Titel der Major League Baseball (MLB).

Tatsächlich hat St. Louis eine der spektakulärsten Aufholjagden in der Geschichte der MLB hingelegt. Ende August lag die Mannschaft im Kampf um den letzten Play-off-Platz der National League scheinbar aussichtslos hinter den Atlanta Braves zurück. Doch dann begann die wundersame Auferstehung der Cardinals – oder um es mit den Worten von Tony La Russa zu sagen: „Im September haben wir uns endlich selbst einen Tritt in den Arsch verpasst und spielen seither so, als wäre jedes Spiel das letzte unseres Lebens.“ Nach einer Siegesserie fing St. Louis die schwächelnden Braves im finalen 162. Spiel der regulären Saison noch ab.

Als krasser Außenseiter ging es anschließend in der ersten Play-off-Runde gegen den großen Favoriten aus Philadelphia. Nach drei Spielen in der „Best of Five“-Serie führten die Phillies 2:1. Wieder standen die Cardinals mit dem Rücken zur Wand. Diesmal erhielten sie Hilfe von völlig unerwarteter Seite. Ein Eichhörnchen hatte sich ins heimische Busch-Stadium verirrt und hüpfte in der vorentscheidenden Phase des vierten Spiels seelenruhig über die Home Plate. Der Gegner ließ sich von der possierlichen Einlage, die das Publikum begeisterte, aus dem Rhythmus bringen, St. Louis glich aus und gewann zwei Tage später auch das Entscheidungsspiel.

Seither ist der kleine graue Nager zum inoffiziellen Maskottchen von Team und Fans in St. Louis geworden. Die Cardinals setzten sich auch in der nächsten Runde gegen die Milwaukee Brewers durch und peilen zum elften Mal den World-Series-Triumph an. Nur die in den Play-offs früh gescheiterten New York Yankees sind mit 27 Titeln noch erfolgreicher.

Gefragt nach einer Erklärung für den plötzlichen Höhenflug der Cardinals, flüchtet sich Superstar Albert Pujols in Phrasen: „In den Play-offs kann alles passieren. Wir sind rechtzeitig heiß gelaufen und treffen den Ball derzeit einfach sehr gut.“ Der vielleicht beste Offensivspieler der Liga hat nach 2004 und 2006 zum dritten Mal mit St. Louis die World Series erreicht. Weil sein Vertrag ausläuft, stand er dies Jahr mehrfach vor dem vermeintlich letzten Spiel für sein Team – und darf jetzt auf seinen zweiten Siegerring hoffen.

Dabei gibt es im Duell mit den Texas Rangers keinen ausgemachten Favoriten, die Mannschaften sind bisher überhaupt erst dreimal in ihrer Geschichte aufeinandergetroffen. Es gibt also kaum Statistiken, die doch im Baseball so oft die Grundlage für den Erfolg sind. Selbst Tony La Russa, den nach mehr als drei Jahrzehnten als Manager in der MLB eigentlich nichts mehr überraschen dürfte, will da nicht widersprechen: „Das sind die seltsamsten Play-offs, die ich je erlebt habe.“ Und vielleicht enden sie in der kommenden Woche mit dem unwahrscheinlichsten Sieger der Baseball-Geschichte.

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