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Sport: Dem Nebel davongelaufen

Kati Wilhelm gewinnt in Oberhof den Biathlon-Sprint – auch dank des guten Willens der Jury

Es dauerte ein paar Sekunden, bis Kati Wilhelm im Zielraum wieder aus der Hocke aufstehen konnte. Als sie dann ihren Kopf erhob und die Ski in die Luft streckte, jubelten ihr Tausende zu. Die fachkundigen 26 000 Fans, die sich rund um die WM-Strecke von 2004 verteilt hatten, ahnten bereits, dass sie damit die Siegerin ehren würden. Und das, obwohl Wilhelm beim Sprint-Weltcup über 7,5 Kilometer als eine der ersten Läuferinnen ins Ziel gekommen war. Zu diesem Zeitpunkt aber zogen wieder dicke Nebelschwaden über den Schießstand, die irreguläre Verhälnisse brachten. Es war wohl eher als eine Geste an die umtriebigen Gastgeber in Oberhof zu verstehen, dass die Jury den Wettkampf nicht abbrach. Die Thüringerin Wilhelm bot im gelben Leibchen der Weltcupführenden eine starke Laufleistung und konnte auch ihre Schüsse im schnellen Rhythmus auf die Scheiben bringen. Das war ihr entscheidendes Plus gegenüber der Schwedin Anna Carin Olofsson, die ihren Lauf kurz vor Wilhelm absolviert hatte. Dass sie in der Weltcup-Gesamtwertung auf dem zweiten Rang liegt, wertet Wilhelms Sieg auf. „Es war heute absolut grenzwertig“, gab Frauen- Bundestrainer Uwe Müßiggang zu. Der eine Fehlschuss, den sich Wilhelm im Liegendanschlag geleistet hatte, war diesmal nicht entscheidend. Nach 23:45,9 Minuten lag sie 5,9 Sekunden vor Olofsson und 54,7 Sekunden vor Linda Tjörholm aus Norwegen. Damit gab es auf den ersten beiden Plätzen die umgekehrte Reihenfolge wie Mitte Dezember beim Weltcup in Osrblie.

Uwe Müßiggang hatte damit gestern gleich mehrmals Grund zur Freude, obwohl er mit Blick auf die Staffelbesetzung für die Olympischen Spiele „kaum neue Erkenntnisse“ gewann. Zunächst wurde er mit dem Biathlon-Award geehrt, dem Sympathiepreis im Lager der Skijäger. Der seit 2005 vergebene Preis wird etwas hochtrabend als „Oscar“ des Biathlons bezeichnet. Dann konnte er auch noch fünf Deutsche unter den neun Besten registrieren. „Wir sind sieben Frauen, die die Olympianorm erreicht haben. Da geht es in jedem Wettkampf hart zu, nicht alle werden auch in Turin starten dürfen“, sagte Uschi Disl. Sie selbst rechnet sich kaum Chancen aus, bei den Winterspielen in Turin in der Staffel dabei zu sein. „Durch die Verkürzung der Strecken ist das Staffelrennen zu einem Schießwettkampf mit Renneinlagen geworden, da habe ich bis jetzt wohl doch nicht die besten Karten.“

Anders bewertet natürlich Kati Wilhelm, die erst 1999 vom Langlauf zum Biathlon gewechselt war, ihre Möglichkeiten. Die 29-Jährige mit den knallroten Haaren als Markenzeichen ist nach dem zweiten Weltcupsieg in diesem Winter mit 301 Punkten schließlich auch die Führende im Weltcup vor Olofsson (293). Was ihr Selbstvertrauen stärkt, sind die zwei Olympia-Goldmedaillen von 2002. „Sie ist die Frau für die großen Ereignisse“, lobte einmal die berühmte Magdalena Forsberg. Und die Schwedin scheint Recht zu behalten, je näher Turin kommt, desto besser wird Kati Wilhelm. In den vier Jahren seit Salt Lake City waren viele Wettkämpfe für Wilhelm nicht so gut gelaufen. „Jetzt sollte ich allerdings wissen, wie es geht. Für Olympia bin ich nicht erst seit dem heutigen ersten Sieg vor meinem Heimpublikum zuversichtlich“, sagte sie gestern nach der Siegerehrung.

Bei der kampfstarken Uschi Disl, gestern Achte, weiß der Trainer nie so richtig, wie gut sie wirklich gerade ist, obwohl sie sich in der Vergangenheit in wichtigen Wettkämpfen stets steigerte. Sie ist zwar zweimalige Staffel-Olympiasiegerin, aber eben auch bereits 36 Jahre alt. „Mit einer Einzelmedaille in Turin wäre ich glücklich, denn 2010 in Vancouver bin ich nun wirklich nicht mehr dabei“, sagte sie gestern. Und nach einem kurzen Nachdenken, als müsse sie sich der Situation erst bewusst werden, ergänzte sie: „Mein Gott, da bin ich ja schon 40.“ Beim Weltcup, dem Auftakt in der Dreierserie mit Ruhpolding und Antholz, hofft nun Uwe Müßiggang auf das heutige Massenstartrennen, für das Sonne und klarere Sicht angekündigt wurde. „Da kann ich die Frauen besser bewerten, heute haben wohl einige nur noch nach Gehör schießen können“, sagte er. Katrin Apel (35.) musste fünfmal in die Strafrunde, Katja Beer (53.) ebenfalls. Sie hatten eben das Pech, eine hintere Startnummer erwischt zu haben. Das erkannte schließlich auch Kati Wilhelm an: „Ich hatte eben heute auch Glück.“

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