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Sport: Den Bruder im Blick

Eine Hockey-Familie will den EM-Titel in der Halle verteidigen

Berlin. Oliver Domke hat einen neuen Spitznamen. In der Hockey-Nationalmannschaft wird er jetzt Quincy gerufen, wie der Gerichtsmediziner aus der US-amerikanischen Krimiserie. Domke findet den Namen nicht so schlimm, auf jeden Fall „besser als den vorher“. Früher hieß er Bübchen. Das lag daran, dass Oliver Domke 17 war, als er zum ersten Mal in der Nationalmannschaft spielte; im März wird er 27, da passt Bübchen nicht mehr so richtig. Dass Domke jetzt Quincy genannt wird, liegt daran, dass er manchmal ein wenig abwesend wirkt, nur mit einem Ohr hinhört, wenn andere sich unterhalten, irgendetwas aufschnappt und dann einen Kommentar dazu abgibt – obwohl er gar nicht weiß, worum es eigentlich geht. Ein wenig wie Quincy eben.

Auf dem Platz weiß Oliver Domke immer, worum es geht. Neulich in einem Vorbereitungsspiel für die heute beginnende Hallen- Europameisterschaft gab es eine typische Domke-Situation. Der Nationalspieler hatte den Ball am Stock, doch um ihn herum zogen vier Gegenspieler einen Belagerungsring. Domke besaß keine Chance – und hat es irgendwie doch geschafft, sich zu befreien. Mit Ball. Christian Domke ist das Ungewöhnliche bei seinem Bruder schon gewohnt, und trotzdem gibt es Szenen, bei denen auch er sich immer noch fragt: „Wie hat er das denn jetzt wieder gemacht?“

Für Christian Domke, 23, ist es „manchmal schon nervig“, der jüngere Bruder von Oliver Domke zu sein. „Ich bin nicht mein Bruder“, sagt er. „Ich bin eine eigene Persönlichkeit.“ Aber er wird an seinem älteren Bruder gemessen, an dessen Erfolgen, an dessen außergewöhnlichen Fähigkeiten. Beide spielen beim Rüsselsheimer RK, beide sind Nationalspieler, aber Oliver hat fünfmal so viele Länderspiele bestritten wie sein Bruder, und er hat die deutsche Nationalmannschaft im März zum ersten WM-Titel geschossen. Michael Rummenigge war auch immer nur der kleine Bruder vom großen Karl-Heinz, und Herthas Manager Dieter Hoeneß wird nicht mit – sagen wir – Rolf Rüssmann verglichen, sondern mit seinem Bruder Uli.

„Die Leute haben immer meinen Bruder im Blick“, sagt Christian Domke. „Das, was er macht, erwarten sie auch von mir.“ Das Dumme ist, dass selbst sein Bruder „immer höhere Ansprüche an mich hat als an andere“. Und Oliver Domke kann ziemlich impulsiv sein. Mittlerweile komme er damit ganz gut zurecht, sagt Domke, der Jüngere, „das geht zum einen Ohr rein, zum anderen raus“. Außerdem ist es ja auch eine Art Kompliment. „Er weiß eben, dass ich mehr kann.“

Vergleichen kann man Christian und Oliver Domke eigentlich nur schwer. Oliver spielt im Sturm, Christian hat sich im Laufe der Jahre immer weiter nach hinten gearbeitet. „Ich bin ziemlich abhängig von ihm“, sagt Oliver Domke. Ihr Spielverständnis funktioniert außergewöhnlich gut. „Manchmal müssen wir uns nur anschauen“, sagt Christian Domke. Verwunderlich ist das nicht. Seit der Jugend haben sie immer zusammengespielt, zwischendurch auch schon mal in der Nationalmannschaft. Beide Domkes gehören zum Kader für die Hallen-EM in Santander in Spanien, bei der Titelverteidiger Deutschland heute gegen Tschechien und Russland spielt. Christian und Oliver Domke teilen sich sogar ein Doppelzimmer. „Kein Problem“ sei das, sagt Christian.

Sie kennen sich schließlich lange genug.

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