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Sport: „Den Pokal gestemmt“

Herthas Physiotherapeut Jörg Blüthmann war der einzige Deutsche im WM-Finale

Herr Blüthmann, Sie waren der einzige Deutsche im WM-Finale. Herzlichen Glückwunsch.

Danke. Es war ein tolles Gefühl, so nah dabei zu sein. Ich saß in der zweiten Reihe der Ehrentribüne, damit ich sofort eingreifen kann, falls den Schiedsrichtern etwas passiert.

Und, mussten Sie?

Nein, in der Regel habe ich die Schiedsrichter nur vor und nach den Spielen massiert. Außerdem habe ich die Schiedsrichter vom Hotel abgeholt. Und das bei allen sechs Spielen im Olympiastadion.

Was war Ihr schönstes Erlebnis während der WM?

Der Moment, in dem ich den Weltpokal in die Höhe gestemmt habe. Nach dem Finale bin ich in die Katakomben gegangen. Da waren die Italiener mit ihren Frauen und haben Fotos gemacht. Ich wollte den Pokal eigentlich nur berühren, aber da hat ihn mir die Frau von Del Piero gleich in die Hand gedrückt. Außerdem habe ich noch ein paar andere interessante Dinge mitbekommen.

Was denn?

Zum Beispiel, dass die Argentinier den Schiedsrichtern bereits vor dem Spiel gegen Deutschland Geschenke machen wollten. Trikots, Wimpel und solche Sachen. Das durften die Unparteiischen natürlich nicht annehmen. Nach dem Spiel kamen die Profis dann aber wieder und haben die Geschenke noch gebracht, obwohl sie verloren hatten, das war anständig.

Und wie haben Sie die Schiedsrichter so erlebt?

Es war spannend das ganze mal aus der Perspektive der Schiedsrichter zu erleben, sonst habe ich immer die Vereinsbrille auf. Der Druck auf die Unparteiischen ist enorm. Damit gehen die meisten gut um. Es wirken viele Leute auf sie ein. Zuerst werden sie vor dem Spiel gebrieft, dann gibt es eine Besprechung in der Halbzeit und sofort nach dem Abpfiff eine Videoanalyse. Die Veränderungen bei Lubos Michel waren am interessantesten. Vor dem Spiel in der Vorrunde zwischen Paraguay und Schweden war er noch locker, hat ein paar Späße gemacht. In der Vorbereitung auf die Partie Deutschland gegen Argentinien im Viertelfinale war er dann wie verwandelt – sehr angespannt und ein bisschen aufgeregt. Aber er hat dann ja eine gute Figur abgegeben.

Konnte einer nicht so gut mit dem Druck umgehen?

Walentin Iwanow war nervös, auch ein bisschen introvertiert. Er wirkte dadurch eigenartig vor dem Spiel zwischen Deutschland und Ekuador.

Später hat Iwanow das Spiel zwischen Holland und Portugal geleitet, es ist eskaliert. Wundert Sie das?

Nein.

Haben Sie Zidane nach seinem Kopfstoß gegen Materazzi noch gesehen?

Leider konnte ich nicht einmal den Kopfstoß richtig sehen. Erst später im Fernsehen wurde mir klar, was der angestellt hat. Aber ansonsten war ich sehr nah dran an den Spielern. Die Kabine der Schiedsrichter liegt genau gegenüber von der Spielerkabine.

Und da sind Sie reinspaziert?

Naja, fast. Ronaldo hat mir einmal die Hand gegeben, aus Höflichkeit, nicht weil ich ihn kenne. Da hatte ich mich gerade auf dem Gang mit Gilberto unterhalten, der bei Hertha spielt. Am bewegendsten war aber das Gebet der Brasilianer vor dem Spiel gegen Kroatien. Sie hatten die Kabinentür offen gelassen, so dass ich sie beobachten konnte. Da hocken sich alle hin, mit einem Knie auf dem Boden und bilden einen Kreis. Mit der Hand auf der Schulter des Mitspielers wird dann gebetet, richtig laut und emotional. Das war ergreifend.

Haben die das Vaterunser aufgesagt?

Weiß ich nicht genau, portugiesisch liegt mir nicht.

Interview: Ingo Schmidt-Tychsen

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