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Nur Fliegen ist schöner. Janne Friederike Meyer überquert mit Lambrasco den Wassergraben, der vor dem Wettbewerb pferdefreundlicher umgestaltet wurde. Foto: dpa

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Sport: Den Titel abgegrast

Die deutschen Springreiter sind Europameister. Karsten-Otto Nagel will heute mit Ruhe erneut siegen

Jeder hat seine eigene Art, über einen Sieg zu jubeln. Nachdem feststand, dass die deutschen Springreiter in Madrid zum siebten Mal Europameister geworden waren, fiel Janne Friederike Meyer, die mit Lambrasco mit einem Abwurf als dritte deutsche Reiterin den Erfolg sichergestellt hatte, ihrem Trainer Tjark Nagel um den Hals. „Ich hätte jeden umarmt, der mir als erster entgegenkam“, sagte die 30-Jährige, die nach dem WM-Titel 2010 nun bei ihrem zweiten Einsatz auch das zweite Teamgold mit nach Hause bringt. Der letzte deutsche Reiter, Ludger Beerbaum mit Gotha, der schon als Europameister einritt und mit einer Nullrunde das Ergebnis noch verbessern konnte, warf bei der Siegerehrung seinen Reithelm in die Luft. Da lag er nun im Sand vor den Herrschaften, die auf dem roten Teppich zur Gratulation Aufstellung genommen hatten und zeugte von der großen Erleichterung, die auch so einen erfahrenen Mann wie Beerbaum noch überkommt, wenn er es mal wieder allen zeigen konnte. Denn an den beiden Tagen zuvor hatte sein Pferd Gotha ohne ersichtlichen Grund am Wassergraben gepatzt. Da auch viele andere Pferde hier irritiert waren, wurde der Weitsprung leicht verändert, das Wasser blauer, die Abgrenzung dunkler gemacht und war somit besser zu erkennen für die Pferde.

„Ich bin froh, beweisen zu können, dass ich zu Recht fürs Team nominiert wurde,“ sagte Beerbaum. Den Grundstein für den Sieg hatten die ersten beiden deutschen Starter, Marco Kutscher auf Cornet Obolensky und Carsten-Otto Nagel auf Corradina, gelegt. Als erster kam Kutscher strahlend aus dem Parcours. Der Reiter wiederholte den Fehler vom Donnerstag nicht, als er Cornet Obolensky vor einer breiten Triplebarre auf der letzten Linie zu deutlich zurückgenommen hatte, was in zwei Abwürfen resultierte und den vorzüglichen Eindruck vom Zeitspringen am Mittwoch zu trüben drohte. Diesmal ließ Kutscher den Hengst vorwärts galoppieren und souverän segelte der Schimmel über alle Klippen. „Ich bin Otto Becker dankbar, dass er den Start von Cornet mitgetragen hat“, sagte Kutscher. Bundestrainer Becker war sich des Risikos bewusst, den Hengst, der wegen eines Knochenbruchs im Huf lange hatte pausieren müssen, mit nach Madrid zu nehmen.

Jetzt kann Kutscher auf eine zweite olympische Chance für den Ausnahmeschimmel hoffen – und dass die Affäre von Hongkong 2008 damit endgültig Geschichte ist. Bei den Olympischen Spielen wurde Cornet Obolensky mit einem unerlaubten Stärkungsmittel behandelt und damit die Hauptfigur eines für den deutschen Reiterverband peinlichen Skandals. Mit Reithelmen um sich zu werfen, käme Carsten-Otto Nagel wohl kaum in den Sinn. Jetzt konnte er mit Corradina nicht nur das Team nach vorne bringen, er verteidigte auch seine Spitzenposition in der Einzelwertung. Wenn er heute keinen Fehler macht, ist er Europameister.

Gestern hatte Corradina Urlaub, durfte ein bisschen grasen. Für Nagel zahlt es sich jetzt aus, dass die Schimmelstute immer sehr schonend im Hinblick auf das jeweilige Championat, also den Saisonhöhepunkt, und nicht auf das höchste Preisgeld eingesetzt wurde. Auch Bundestrainer Becker war die Erleichterung anzusehen. Seine Statistik kann sich sehen lassen. In drei Jahren gab es beim jeweiligen Championat einmal Bronze und zweimal Gold für seine Mannschaft. „Ich glaube, die brauchen mich gar nicht mehr“, sagte er, „das war tiptop. Jeder hilft jedem, es ist der Wahnsinn.“ Alle vier deutschen Reiter kämpfen heute noch um den Titel des Einzel-Europameisters, realistische Chancen auf den Sieg hat aber nur Nagel. Ihm im Nacken sitzen der Brite Nick Skelton auf Carlos und der Niederländer Gerco Schröder auf New Orleans, beide weniger als einen Springfehler vom Gold entfernt.

Gabriele Pochhammer[Madrid]

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