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Sport: Den Zweifel besiegt

Den Tschechen macht das 2:1 gegen Lettland Mut

Aviero - Als auf den Rängen der Jubel losbrach, senkte Aleksandrs Kolinko sein Haupt, verharrte kurz in stiller Einkehr und bekreuzigte sich. Es spricht für einen sehr erwachsenen Gottesglauben, dass der lettische Torwart den Allmächtigen nicht für die eigenen Fehler in Haftung nahm. Der Ausgang des EM-Spiels zwischen Tschechien und Lettland war auch ohne das Eingreifen höherer Mächte gut zu erklären. Dazu hat man das Szenario im Fußball schon oft genug erlebt: Der Außenseiter geht ein bisschen glücklich in Führung, verteidigt den Vorsprung anschließend mit allen Mannen, verliert irgendwann Konzentration und Kraft, kassiert den Ausgleich und meistens nur wenig später ein weiteres Tor. Eine Viertelstunde vor Schluss traf Milan Baros zum 1:1 für Tschechien, zehn Minuten darauf erzielte Marek Heinz das 2:1.

„Erstes Spiel. Drei Punkte. Guter Anfang“, fasste Tomas Ujfalusi, der Verteidiger vom Hamburger SV, zusammen. „Was kann man sich mehr wünschen?“ Von den Zweifeln und Qualen während des Spiels sagte er nichts. Karel Brückner, der stille tschechische Trainer, berichtete, wie er innerlich dazu getrieben wurde, von der Seitenlinie Einfluss auf sein Team zu nehmen. Immer wieder durchmaß er den Raum seiner Coaching-Zone und ruderte mit den Armen umher. „Ich habe mehr gemacht als sonst“, gab Brückner zu. Der lettische Trainer Aleksandrs Starkovs sprach davon, dass er ein bisschen Angst gehabt habe, „dass wir auf diesem hohen Niveau nicht mithalten können“. Diese Sorge aber erwies sich als unbegründet. Seiner Mannschaft gelang es, den Turnierfavoriten nach dem Tor von Maris Verpakovskis lange mit der Idee einer Auftaktniederlage zu quälen. „Wir haben ein bisschen doof gespielt“, sagte Tomas Rosicky. „Das Mittelfeld war aus dem Spiel.“

Nach der Pause sah das anders aus. „Da hat die Mannschaft ihren typischen Stil gezeigt", sagte Brückner. Sie spielte die Bälle flach statt hoch, kam über die Seiten statt durch die Mitte und erzeugte einen wirkungsvollen Druck, unter dem die lettische Mauer zu wanken begann und dann zusammenbrach. „Ich war mir hundertprozentig sicher, dass wir ein Tor schießen“, sagte Ujfalusi. Vermutlich mochten sich die Tschechen nicht ausmalen, was bei einer Niederlage oder einem Unentschieden in der Gruppe mit Deutschland und Holland passiert wäre. „Die Erleichterung ist enorm“, verkündete Mittelfeldspieler Tomas Galasek.

Der Sieg gegen Lettland war in erster Linie ein Sieg gegen eigene Zweifel, von denen die Tschechen immer wieder heimgesucht werden und an denen sie erst vor zwei Jahren in der Qualifikation für die WM gescheitert sind. „Wir sind innerlich sehr stark“, sagte Rosicky. „Das haben wir heute gezeigt.“ Das klang ein bisschen nach Autosuggestion.

Vielleicht aber war es für den Turnierverlauf der Tschechen nicht so schlecht, dass sie gegen den Außenseiter hart für ihren Erfolg kämpfen mussten. Spieler wie Pavel Nedved, Tomas Rosicky oder Karel Poborsky neigen angesichts ihrer überragenden Fähigkeiten zur Nonchalance. Die wurde ihnen von den Letten mit recht einfachen Mitteln ausgetrieben. „Ich bin stolz, dass wir das Spiel gedreht haben“, sagte Rosicky. „Das kann nur eine große Mannschaft.“ Vielleicht stimmt das.

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