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Sport: Der Abschied des Propheten

Die Rückfahrt war nicht besonders angenehm, zehn Stunden auf überfüllten Autobahnen, die Wohnung steht noch immer voll mit den Hochzeitsgeschenken, und der Wagen muss auch dringend durch die Waschstraße: Willkommen zu Hause! Warum sollte es Jürgen Röber anders ergehen als den meisten Menschen nach der Rückkehr aus ihrem Urlaub?

Die Rückfahrt war nicht besonders angenehm, zehn Stunden auf überfüllten Autobahnen, die Wohnung steht noch immer voll mit den Hochzeitsgeschenken, und der Wagen muss auch dringend durch die Waschstraße: Willkommen zu Hause! Warum sollte es Jürgen Röber anders ergehen als den meisten Menschen nach der Rückkehr aus ihrem Urlaub? Man kennt das. Der Trott hat einen schneller eingeholt, als einem das lieb ist. Und bei Röber ist der Alltag ohnehin immer besonders flink. Der Trainer des Berliner Fußball-Bundesligisten Hertha BSC gilt als jemand, der nur schwer von seinem Beruf abschalten kann. Auch im Weihnachtsurlaub in Hochgurgel hat er erst "ein paar Tage gebraucht", bis der Kopf einigermaßen frei war. Wer will ihm das verdenken? Noch kurz vor der Abreise hat es einige Aufreger in Röbers Leben gegeben - die Bekanntgabe der Trennung von Hertha zum Ende der Saison und am Tag danach seine Hochzeit.

Seit Mittwochabend ist Röber wieder zurück in Berlin, heute um 15 Uhr beginnt er mit Hertha die Vorbereitung auf die Rückrunde. Für Röber ist das nichts Neues. Zwölfmal hat er das schon in Berlin erlebt, den ersten Tag nach dem Urlaub, anfangs mit dem Kader eines kriselnden Zweitligisten, inzwischen mit einem Spitzenklub aus der Bundesliga, und alles beim selben Verein. Diesmal aber wird es bestimmt nicht so sein wie sonst. Für Jürgen Röber beginnt heute die letzte Vorbereitung mit Hertha.

"Sicherlich ist das was anderes", sagt Röber, "da braucht man nicht drum rum zu reden. Du weißt ganz genau, am Ende der Saison ist Schluss." Vermutlich ist es nicht übertrieben, wenn man die letzten Wochen - natürlich auch wegen der privaten Ereignisse - als einen Knoten- oder Wendepunkt im Leben des Jürgen Röber sieht. Von den 18 Trainern in der Bundesliga arbeiten nur Volker Finke und Eduard Geyer noch länger bei ihren Klubs. Eine solche Verbundenheit kommt in der Branche selten vor. Außerdem hängt Röber an Berlin. "Ich bin ja der größte Prophet für Berlin", hat er vor genau einem Jahr gesagt. "Ich gehöre hier hin."

Nur hat der Prophet im eigenen Land nicht immer den besten Ruf. Röber muss seit Jahren gegen das Vorurteil kämpfen, er sei nicht in der Lage, Hertha dorthin zu führen, wo einige Leute den Verein dringend sehen wollen: ganz nach oben. Es ist nicht Röbers Antrieb, dass er es diesen Leuten in seinem letzten halben Jahr bei Hertha noch einmal zeigen muss. Röber weiß, was er in Berlin geleistet hat, und natürlich will er sich mit einer erfolgreichen Rückrunde verabschieden. Aber nicht, weil er glaubt, irgendjemandem noch etwas beweisen zu müssen, sondern weil er auch im siebten Jahr noch immer nichts als den Erfolg will.

Dass er Berlin, seine erklärte Lieblingsstadt, für einen neuen Arbeitgeber vermutlich verlassen muss, gehört zu den Risiken des Berufs. "Alle haben ein Problem damit", sagt Röber, nur er will die ganze Angelegenheit "nicht dramatisieren". Natürlich gab es im Urlaub Momente der Wehmut: "Wer weiß, wo wir nächstes Jahr sind?", haben sich seine Frau und er gefragt. Entschieden ist diese Frage noch nicht. Ein paar lose Anfragen habe es gegeben, "nichts Konkretes", von den Bemühungen Fenerbahce Istanbuls um eine sofortig Verpflichtung einmal abgesehen. Doch Röber weiß noch nicht einmal, ob er gleich am 1. Juli ein neues Engagement anfangen soll. "Vielleicht mache ich noch ein bisschen Pause", sagt er. "Die sechs Jahre haben ganz schön Kraft gekostet." Im Urlaub hat Röber das wieder mal gemerkt, als ihn "eine blöde Bronchitis" geplagt hat.

Aber all das soll ihn nicht daran hindern, seine letzte Rückrunde mit dem nötigen Elan anzugehen. Heute Nachmittag, in seiner Neujahrsansprache an die Mannschaft, wird Röber auf die besondere Situation eingehen, die Spieler ermahnen, sich von all dem Wirbel um seine Person freizumachen. Röber selbst wird das auch versuchen. "Ich mache doch jetzt keine Abschiedstour durch die Bundesligastadien", sagt er. Überhaupt will er sich nicht verrückt machen lassen. Das Kapitel Hertha ist erst dann zu Ende, wenn das letzte Spiel gespielt ist. "Möglichst am 11. Mai", sagt Röber. Dann findet im Olympiastadion das DFB-Pokalfinale statt.

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