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Sport: Der Abschied naht

Nach dem 1:5 gegen Stuttgart wird sich Wolfsburgs Trainer wohl bald beim geliebten Golfen entspannen können

Wolfsburg. Jürgen Röber hat noch einmal die freie Auswahl: Cola, Saft, Wasser, Diätbrause. Er sitzt hinter einem hellen Holztisch, er nimmt den Flaschenöffner von der grünen Serviette, er gießt Wasser ins Glas, am linken Handgelenk blinkt eine schwere Silberuhr. Die feine Bräune des Gesichts kontrastiert hübsch zum weißen Hemd mit dem offenen Kragen. Es ist die Stimme, die den vitalen Eindruck zerstört. Röber krächzt ein wenig, jedes seiner Worte droht zu kippen. Er sagt: „Die Situation ist nicht einfach.“

Was soll er auch sonst sagen? In der „Wolfsburger Allgemeinen“ stand am Samstag: „Heute geht’s um Röbers Job.“ Und jetzt müssste der Trainer des VfL Wolfsburg nach einer 1:5-Niederlage gegen Stuttgart erklären, warum er und seine Arbeit dem Verein eine glänzende Zukunft versprechen. Das würde nach diesem Spiel sowieso niemand mehr glauben.

Autoverkäufer sind kühle Rechner, und die Wolkswagen AG ist zu 90 Prozent an der VfL Wolfsburg Fußball GmbH beteiligt. Wenn nun Zwischenbilanz gezogen wird, dann kann das Zahlenwerk den Managern überhaupt nicht gefallen: 56 Tore hat die Abwehr zugelassen, mehr als jede andere in der ersten Liga; acht der letzten zehn Spiele gingen verloren; 13 Millionen Euro an Investitionen von der Saison sollten ins internationale Fußballgeschäft führen, nun gilt es den Abstieg zu verhindern. Um es im Jargon der Autostadt zu sagen: Es wurde Geld für einen Phaeton ausgegeben, und geliefert bekommen sie einen Lupo Diesel.

Wer ist schuld an der misslichen Situation? Torwart Ramovic zum Beispiel, der den Schuss von Gerber gleich zu Anfang unterm Bauch durchrutschen ließ. Innenverteidiger Maik Franz natürlich auch, denn beim 0:2 genügte Seller eine einzige Körperwindung, um ihn zu düpieren. Und beim 1:3 schob Hleb den Ball einfach von links quer durch die komplette Abwehr auf Lahm. Wenn immer der VfB Stuttgart einmal steil spielte oder sich im Doppelpass übte, hatte er eine Torchance.

Wolfsburg gegen Stuttgart, da traf die Hilflosigkeit auf die Eleganz.

Da konnte auch alle organisierte Unterstützung nicht helfen. Die Fans in der Nordkurve hatten zu Beginn noch Schilder mit der Aufschrift „110 %“ in die Höhe gehalten. Und immer wieder war Trainer Röber aufgesprungen, um mit dem rechten Arm zu dirigieren – er plumpste stets heftig und frustriert auf seinen grünen Schalensitz zurück. Die „Erlebniswelt Volkswagenarena“ (Stadionheft) bot eineinhalb Stunden greifbare Agonie – wenn man nicht VfB-Anhänger war.

Röber wird wohl bald seine Nerven beim geliebten Golfspiel entspannen können. Am Sonntag, so war es angekündigt, will sich der Aufsichtsrat der Wolfsburger treffen, und wozu die Herren ihr Wochenende opfern, scheint klar. Zu offen kursierten bereits die Namen eventueller Nachfolger – Bommer, Daum, Gerets – , zu offen ist die Abneigung von Manager Peter Pander gegenüber Röber.

Wenn nicht alles täuscht, hat die Republik bald einen Arbeitslosen mehr. Doch anders als den 500 000 bundesweiten Demonstranten vom Samstag muss dieser keine Angst haben vor dem sozialen Abstieg: Eine Million Euro an Abfindung sollen vertraglich festgelegt sein.

„Die Mannschaft hat das Potenzial, in dieser Liga gut mitzuspielen“, sagt Röber mit belegter Stimme, „aber 1:5, das ist schon deprimierend.“ Keine weiteren Fragen. Es ist 17.37 Uhr, als der Trainer den Presseraum verlässt. Draußen blockieren Fans die Ausfahrt vom Mannschaftsbus und singen: „Wir ham’ die Schnauze voll.“

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