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Sport: Der Anekdotenerzähler

Bei der „Zeit“-Matinee erobert Bayerns Manager Uli Hoeneß mit guten Geschichten das Publikum

Es müsste Uli Hoeneß gut passen, dass er diese turbulente Woche in einem kleinen Theater ausklingen lassen kann, mitten unter Hamburger Bürgern. Eine stilvolle Unterhaltung mag dem Manager des FC Bayern München jetzt gut tun, nachdem das Ausscheiden seines Klubs in der Champions League gegen den FC Chelsea von manchen Reportern nicht als ehrenhaft dargestellt worden war, dafür aber die fast schon entschiedene Meisterschaft als Resultat von großem Dusel gilt. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ hat Hoeneß zur Matinee in die Hamburger Kammerspiele eingeladen, und dort sitzt er nun in einem grauen Anzug zwischen „Zeit“-Herausgeber Michael Naumann und dem Geschäftsführenden Redakteur Moritz Müller-Wirth.

Ob er sich denn erst einmal bei den Hamburgern bedanken wolle, fragt ihn Naumann, weil doch der HSV dem FC Bayern mit dem Sieg auf Schalke einen großen Dienst erwiesen habe. „Wissen Sie, als wir dem FC St. Pauli geholfen haben, da haben wir gehofft, dass wir irgendwann einmal etwas zurückbekommen. Das war wohl jetzt der Fall“, sagt Hoeneß. Das Publikum in den Kammerspielen nimmt es wohlwollend auf, auch wenn es eher wenig vom FC St. Pauli hat, dafür umso mehr vom feinen HSV.

Auf jeden Fall sind die Gäste hanseatisch genug, um großes Verständnis aufzubringen, als Hoeneß sich über die Ungleichheiten im internationalen Fußball beschwert. „Herr Abramowitsch hat inzwischen 300 bis 500 Millionen Euro in den FC Chelsea gesteckt. Dagegen hast du keine Chance. Es ist kein Wettbewerb der Gleichrangigen mehr“, sagt Hoeneß und rutscht unruhig in seinem schwarzen Ledersessel hin und her. Mit dem Klubbesitzer Roman Abramowitsch mag sich Hoeneß aber gar nicht lange aufhalten, er möchte lieber über das Mögliche reden. Wichtig ist ihm, dass die Fernsehgelder in Deutschland denen im europäischen Ausland angeglichen werden.

Mitten in die Ausführungen schiebt Michael Naumann die Frage, ob sich der Fußball nicht immer mehr von der Lebenswirklichkeit der Menschen entferne. Naumann ist in diesem Gespräch das soziale Gewissen und der Traditionalist, der in seine Fragen gerne Namen wie Fritz Walter oder Günter Netzer einbindet. Hoeneß entgegnet: „Solange alle wollen, dass wir gegen Chelsea gewinnen, müssen wir mit den Wölfen heulen. Es macht keinen Sinn, wenn wir anfangen, zurückzurudern.“ Außerdem sei der Fußball doch so populär wie nie – gerade bei Schalke 04 im Ruhrgebiet, wo die Arbeitslosigkeit besonders hoch sei.

Was Hoeneß wohl von vielen seiner Zuhörer unterscheidet, ist seine Herkunft. Er stammt eben nicht aus dem Bildungsbürgertum. „Mein Vater hatte eine Metzgerei und ist jede Nacht um drei Uhr aufgestanden. Meine Mutter stand tagsüber im Laden und hat am Wochenende die Buchhaltung gemacht.“ Sein Antrieb fürs Fußballspielen sei daher ein ganz einfacher gewesen: „Ich wollte die soziale Leiter hoch.“ Deshalb habe er sich als 14-Jähriger von seinem Vater jeden Morgen um sechs Uhr wecken lassen und sei vor der Schule eine Stunde gelaufen. Im Grunde trauert Hoeneß dem Aussterben seiner eigenen Mentalität nach. Die jungen Spieler seien doch gar nicht mehr bereit, sich zu quälen.

Hoeneß erzählt gerne diese Anekdoten aus der alten Zeit. Es sind gute Geschichten, unterhaltsam. Sie gefallen dem Publikum. Damit macht er es seinen Gesprächspartnern schwer, kritische Fragen zu stellen. Aber das erwarten die Gäste jetzt auch nicht mehr. Am Ende des Gesprächs steht Hoeneß auf, und als das Publikum heftig applaudiert, deutet er zwei kleine Verbeugungen an. Er wirkt ein wenig verlegen.

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