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Sport: Der Begehrteste

Wieder ist ein Gerücht wichtiger als die ganze Nationalelf: Michael Ballack soll nach Chelsea wechseln

Die wichtigste Nachricht des Tages hatte Florenz erreicht, noch bevor die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gestern gegen Mittag dort eintraf. Michael Ballack, der Kapitän der Mannschaft, wird nach der Weltmeisterschaft zum FC Chelsea wechseln. Das hatte die „Daily Mail“ geschrieben, eine Londoner Boulevard-Zeitung. Das Länderspiel der deutschen Elf heute gegen Italien geriet erst einmal in den Hintergrund. Wie so vieles, wenn es derzeit mit Michael Ballack konkurriert. Der Spieler selbst tauchte direkt nach der Ankunft in Florenz hinter den dicken Mauern des Mannschaftshotels „The Westin Excelsior“ ab. Die Aufgeregtheiten blieben draußen.

Über den Pressechef der Nationalmannschaft ließ der Spieler des FC Bayern lediglich verbreiten, dass er weder in London war, wie berichtet wurde, noch dass er dort bereits einen Vertrag unterschrieben hat. Was er allerdings nicht dementierte, war, dass er den Deutschen Meister im Sommer verlassen wird. Bis dann gilt sein Vertrag noch.

Kein deutscher Fußballspieler besitzt einen solchen Stellenwert wie er. Ballack hat Oliver Kahn in Sachen Prominenz längst überflügelt und ist so etwas wie das Alphatier des deutschen Fußballs. Jeder seiner Äußerungen wird ein mitunter unerträgliches Gewicht beigemessen. Ganz gleich, ob er sich wie jüngst zum Rausschmiss von Christian Wörns zu Wort meldet oder aber den Bundestrainer erneut in Bedrängnis bringt, der seine Mannschaft lieber in roten Auswahltrikots spielen sähe, obwohl doch er, Ballack, das traditionelle Weiß bevorzuge. Selbst wenn der 29-Jährige vorschlagen würde, es gegen Italien vielleicht mal barfuß zu probieren, er würde eine heiße Diskussion auslösen. Neulich titelte die „Süddeutsche Zeitung“ gar „Bundesrepublik Ballack“.

Das Einzige, was als sicher gilt, ist, dass Ballack den FC Bayern verlassen wird. Wie gestern im Umfeld der Nationalelf zu hören war, soll Real Madrid weiterhin eine Option sein. Vielleicht wird es auch Arsenal London, Manchester United, Inter Mailand oder Juventus Turin. „Prinzipiell kann ich mir alles vorstellen“, hatte Ballack noch am Vortag gesagt. Ein Bleiben in München oder ein Zurück, wie man es wohl nennen darf, dürfte dagegen eher schwierig sein.

Das Auffälligste am Hype um seine Person und um seinen künftigen Arbeitsplatz ist, dass der Betroffene selbst damit am besten klarzukommen scheint. Als er im Herbst des vergangenen Jahres die erste Frist des FC Bayern kommentarlos verstreichen ließ, plusterte sich die komplette Entourage des FC Bayern auf und zog im Interesse des eigenen Rufs entnervt das neue Vertragsangebot zurück. Dort ist er wie auch im Nationalteam der Kopf, der Leader der Gruppe. Und der lässt sich nun einmal nicht unter Druck setzen. Ihm macht das nichts aus. Seit seine berufliche Zukunft ungewiss ist, spielt er in der Form seines Lebens. Er schießt nicht nur viele und wichtige Tore, sondern auch außergewöhnlich schöne wie jüngst gegen den AC Mailand.

Und weil das so ist, hält sich der Bundestrainer mit Kommentaren zurück. „Wir halten uns da absolut raus“, wiederholte Klinsmann gestern zum wiederholten Male. „Das ist eine sehr wichtige Entscheidung für den Michael und für den FC Bayern. Ich hoffe, dass er mit seiner Entscheidung gut leben kann.“ Klinsmann ist zu schlau, als dass er etwas anderes sagen würde. Er kennt die Mechanismen des Fußballmarktes, und er kennt den Stellenwert des Spielers. Schließlich war er als Spieler ein Pokerer, der sich selbst vor großen Turnieren noch nicht entschieden hatte, wo er danach zu spielen gedenkt. Was sich übrigens weder zu Lasten seiner Form noch seines späteren Salärs auswirkte. Solange also die fußballerische Leistung stimmt, bitte sehr. Das sagt Klinsmann so zwar nicht, aber nur darauf kann es dem Bundestrainer jetzt ankommen, 100 Tage vor Beginn der Weltmeisterschaft. Weder der FC Bayern noch die Nationalmannschaft werden ohne einen stabilen und starken Ballack den angestrebten Erfolg haben.

Auch wenn die gestrige Meldung auf wackliger Grundlage steht, neuer Schwung ist in die wichtigste Personalie des deutschen Fußballs allemal gekommen. Ballacks Berater, der Anwalt Michael Becker, bestätigte, dass es zu Jahresbeginn eine Anfrage aus London vom Klub des russischen Milliardärs Roman Abramowitsch gegeben habe. Wie die „Daily Mail“ berichtet, sei dem torgefährlichsten Mittelfeldspieler Europas ein Vierjahresvertrag unterbreitet worden, der ihn wöchentlich um 177 000 Euro reicher machen würde. Ballack wäre dann der bestbezahlte Fußballer der Welt. Wenn das keine Nebensächlichkeit ist.

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