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Sport: Der Dampf von Stierblut

Hamburg. War es wirklich der Dampf von Stierblut, der die bis dahin milde belächelten Profis des FC St.

Hamburg. War es wirklich der Dampf von Stierblut, der die bis dahin milde belächelten Profis des FC St. Pauli über Nacht so aggressiv machte, dass sie den FC Energie Cottbus mit 4:0 auseinander nahmen? Gutgläubige Zeitgenossen, die den Telefonstreichen der Lizenzspielerabteilung vom Kiez auf den Leim gegangen sind, mögen das glauben - wie jener Angestellte eines Sauna-Vertriebs, der vom Trainer Dietmar Demuth nach aufputschenden Aufgüssen befragt wurde. Die Herren vom "Studio Braun" hatten Trainer und Spieler aus St. Pauli zu dem Unfug angestiftet und die Gespräche auf einer CD verewigt.

Dampf ließ nach dem Spiel auch Eduard Geyer ab. Er war am Samstag so etwas wie der Watschenmann vom Kiez, nicht ganz ohne eigenes Zutun. In der Woche hatte er den mangelnden Leistungswillen des deutschen Kicker-Nachwuchses mit dem der "Nutten aus St. Pauli" verglichen. Bereits zum Vorspiel kam dann prompt die erste Retourkutsche von zwei Vertreterinnen besagten Gewerbes, die in gewohnt professioneller Haltung auf der Linie vor der Trainerbank der Gäste flanierten. Die üppige Gina soll Geyer angeboten haben, sich statt mit dem Spielgerät seiner Profis mit ihren Bällen zu befassen. Begleitet war der Auftritt der Damen von den Spottversen der Fans: "Ede Geyer, der beste Freier" und "Ede in den Puff".

Zum Thema Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Nach der Pleite adressierte der Verspottete seine Tiraden zunächst an seine Spieler. "Konfusität" nannte er ihre Haltung, harmlos, ungeschickt und ohne Energie hätten sie sich präsentiert, nun seien Maßnahmen angesagt. Genaueres mochte er noch nicht bekannt geben, doch nach den von der "Tageszeitung" gestreuten Gerüchten über Nilpferdpeitsche und neunschwänzige Katze als Trainings-Hilfsmittel mag man nicht in der Haut der Energie-Profis stecken. Dann kriegte Schiedsrichter Torsten Koop sein Fett weg, weil er den Cottbuser Hamid Termina scjon nach einer halben Stunde vom Platz gestellt hatte: "Schon bei der ersten Gelben reagierte der Schiedsrichter auf Zuruf von außen, das Foul war in einer Zone, in der absolut nichts passiert. Wer da eine Karte zieht, der ..." Es folgte eine beredte Pause, in der Geyer wohl über mögliche Konsequenzen unbedachter Äußerungen nachdachte. Nicht nachdenken mochte er über Neuverpflichtungen, denn nach diesem Spiel müsse er dann gleich elf neue Spieler suchen. "Drei, vier Spieler haben heute ihr normales Niveau erreicht, der Rest hat gar nichts gemacht. Diese Spieler haben überhaupt keine Berufsauffassung", schimpfte Geyer. Und diese Spieler werden in den nächsten Tagen kein so ganz lustiges Leben haben, davon darf man ausgehen. Ganz nach dem Motto: "Ede Geyer, der beste Schleifer".

Unterdessen feierten Spieler und Fans des Kiezklubs ausgelassen den ersten Saisonsieg. Der war hochverdient, sogar Geyer musste zugeben, dass er hätte noch höher ausfallen können. Allerdings präsentierte sich Energie derart schwach, dass sich die Gastgeber Abspielfehler erlauben durften, die gegen bessere Gegner für drei Niederlagen reichen würden. Doch das war den Siegern wurscht. Der zweimalige Torschütze Nico Patschinski dankte den Kritikern, die ihn als nicht erstligatauglich eingestuft hatten, für den Ansporn. Gefragt, ob der Auftritt der Professionellen vor der Cottbusser Bank den Hamburger Profis geholfen habe, kündigte er an, dies bei seinem abendlichen Rendevouz herauszufinden. Den Lorbeer des Erfolges mochte Patschinski indes nicht alleine einheimsen. Den größten Anteil habe der Trainer, weil es ihm gelungen sei, die erfolglose Mannschaft stark zu reden, und sein zweites Tor zum 3:0 sei dem Kollegen Meggle für seine Vorarbeit gutzuschreiben. Der so Gepriesene nutzte die Stunde des Triumphs für eine kleine Abrechnung. Auf die äußerst schwache Vorstellung der Gäste angesprochen, entwickelte er eine Theorie der Würste im Berufsfußball: "So ist das mit den Medien: Wenn wir verlieren, sind wir die Würste. Wenn wir gewinnen, waren die anderen so sehr Würste, dass wir auch Würste sind. Vielleicht waren wir aber einfach mal keine Würste, sondern gut."

Nicht wurscht war der Sieg den Betreibern des "Studios Braun". Unter den Eimern, die sie über die Köpfe gestülpt hatten, war ein dumpfes Murren zu hören. Sie hatten gehofft, dass St. Pauli weiter erfolglos spielt, "damit die CD aktuell bleibt".

Joachim Frisch

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