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Sport: Der deutsche Brasilianer

Von Hartmut Scherzer Yokohama. Bernd Schneider wird „Brasilianer“ genannt.

Von Hartmut Scherzer

Yokohama. Bernd Schneider wird „Brasilianer“ genannt. Das ist für einen deutschen Fußballspieler eine Auszeichnung wie die Ernennung eines schöpferischen Geistes zum Ehrendoktor der Universität in Harvard. Emerson hatte einst den Leverkusener Neuling zum Landsmann erklärt, tief beeindruckt von dessen Geschmeidigkeit, Raffinesse und Rhythmus, von seiner Kunst, mit dem Ball Samba zu tanzen.

Das Etikett wird seitdem gern übernommen. Von Trainern und Kritikern. So schrieb die „FAZ“ nach dem 8:0 der deutschen Nationalmannschaft zum WM-Auftakt gegen Saudi-Arabien: „Wenn die Araber tatsächlich die ,Brasilianer’ des Orients sein sollen, dann müsste Schneider Ehrenbürger von Rio de Janeiro sein.“ Nun sollen sich die Brasilianer im Finale die Augen reiben und staunen: Dieser Deutsche kann ja zaubern wie wir.

Nun stand die Wiege dieses Ballvirtuosen nicht an der Copacabana, sondern an der Saale. Der Ball wurde nicht bei Flamengo, sondern bei Aufbau Jena sein beliebtestes Spielzeug. Das Ballgefühl bekam der kleine Bernd nicht barfuß beim täglichen Strandkick, sondern in der strengen Kinder- und Jugendsportschule (KJS). Die DDR-Nachwuchsförderung hatte bald seine außergewöhnliche Begabung entdeckt und das Talent zum FC Carl Zeiss Jena delegiert. Nicht der Spaß war sein Lehrmeister, sondern das harte Training an der KJS: Sieben Trainingseinheiten und ein Spiel waren wöchentliches Pflichtprogramm für den Steppke. „Dabei wurde großen Wert auf Technik gelegt“, erinnert sich der heute 28-jährige Nationalspieler.

Von Kindesbeinen an hat er gelernt, den Ball mit beiden Füßen zu liebkosen. Ob mit rechts oder mit links, der Ball spürt keinen Unterschied bei den Streicheleinheiten. Keiner konnte so schnicksen und tricksen wie Bernd Schneider schon im zarten Alter von zwölf Jahren, weswegen ihn die Kameraden voller Bewunderung „Schnix“ tauften. Den Spitzn hat er behalten.

Emerson aber ging das Wort nur schwer von der Zunge. Also nannte der Weltklassespieler den Trickser aus Thüringen „Brasilero". Schnix“ auf Portugiesisch eben. Sein brasilianisches Ballgefühl konnte Bernd Schneider vor allem beim 8:0 gegen Saudi-Arabien voll ausleben und dann die Resultate aufzählen: „Zehntes Länderspiel, erstes Länderspieltor bei der ersten Weltmeisterschaft. Was will man mehr?“ Den Freistoß als Sahnehäubchen zum 8:0 hätte auch Rivaldo nicht kunstvoller in den Winkel zirkeln können. Bei allen WM-Spielen stand Bernd Schneider in der Startaufstelllung, spielte mal mehr, mal weniger auffällig und effizient.

Bernd Schneider findet bei Klaus Toppmöller in Leverkusen und bei Rudi Völler in der Nationalmannschaft höchste Wertschätzung. Schneider kann „ ein Spiel ausgezeichnet lesen“, schwärmt Toppmöller. Seine besondere Stärke ist sein natürlicher Hang zum Risiko. Das macht ihn unberechenbar. „Auch wenn ich dreimal den Ball verloren habe, versuche ich beim vierten Mal den Risikopass. Ich bin halt keiner für den Querpass über fünf Meter. Ein Schuss Risiko muss sein. Das macht mich stark. Und jetzt traue ich mir auch die Überdinger zu.“

Nach dem Finale der Champions League in Glasgow war Real-Trainer Vicente del Bosque vor allem von Bernd Schneider angetan. Die besondere Erwähnung dieses Namens verband del Bosque mit dem gezielten Hinweis: „Wir suchen immer gute Spieler.“ Doch Schneider hat vorzeitig seinen Vertrag in Leverkusen bis zum Jahr 2005 verlängert.

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