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Spiel gegen das Heimatland

© REUTERS

Sport: Der deutsche Mark

Torwart Schwarzer hält für Australien, weil es seine Eltern von Schwaben in die weite Welt zog

„Abenteuerlust“, sagt Hans Schwarzer und holt kurz Luft, „das war der einzige Grund.“ Weil er mit seiner Frau Doris die weite Welt sehen wollte, spielt sein Sohn Mark heute für die australische Fußball-Nationalmannschaft.

„Uns gefiel das leichtere, freiere Leben. In Stuttgart durfte man damals in keinen Park gehen, sonntags keine Wäsche aufhängen. Das war in Australien alles erlaubt.“ Hans Schwarzer spricht mit sanfter Stimme, auf Deutsch, der Einschlag seiner schwäbischen Heimat ist auch nach über 40 Jahren Australien unverkennbar, er klingt ein bisschen wie Jürgen Klinsmann.

1972, vier Jahre nach der Ankunft, wurde Mark geboren. Im Land des Rugby kam für den Sprössling der Auswanderer nur eine Sportart infrage. „Es war damals schwierig, einen Fußballverein zu finden“, sagt Schwarzer senior. Schließlich trainierte er seinen Sohn ganz einfach selbst. Und machte ihn zum Keeper. „Mit seinen langen Beinen fehlte ihm ein wenig die Koordination.“

Der Kontakt zur Familie in Deutschland blieb bestehen, der Fußball ein Bezugspunkt. Bei jeder WM fieberten Vater und Sohn gemeinsam mit der deutschen Auswahl. „Das hat sich erst geändert, als Mark anfing, für die australische Nationalmannschaft zu spielen.“ Heute kennt sich Hans Schwarzer in der englischen Premier League, wo der Junior spielt, viel besser aus als in der Bundesliga.

Dort, in der alten Heimat seiner Eltern, wollte es einst auch der Sohn schaffen. Doch nach je einem Jahr in Dresden und Kaiserslautern war der Traum vorbei. „In Dresden war es okay, das war ein Sprungbrett für ihn, aber in Kaiserslautern hatte Mark es schwer“, erinnert sich der Vater, „besonders wegen eines bestimmten deutschen Nationalspielers, der mal einen entscheidenden Elfmeter geschossen hat …“ Warum sein Sohn von den arrivierten Deutschen nicht akzeptiert wurde? „Mehr oder weniger weil er ein Ausländer war.“ Mark Schwarzer war fremd im Land seiner Eltern.

Dabei waren seine Anlagen schon damals unverkennbar. Siegfried Held trainierte Schwarzer in Dresden und meint: „Mir war klar, dass er es irgendwann packt. Trotz seiner erst 22 Jahre strahlte er schon diese unglaubliche Ruhe und Sicherheit aus.“ Gerry Ehrmann, zusammen mit Schwarzer beim FCK, weiß Ähnliches zu berichten: „Mark war stark bei Flanken und enorm ehrgeizig.“

Nach dem Wechsel nach England zu Bradford kamen diese Stärken auch endlich zur Geltung. Der Premier-League-Klub zahlte für Schwarzer noch 155 000 Pfund, kein halbes Jahr später holte Middlesbrough den Keeper – für 1,25 Millionen Pfund. In England kam Schwarzers Karriere ins Rollen. In diesem Jahr führte er Fulham ins Europa-League-Finale.

Doch die Geschichte wollte es so, dass Deutschland immer wieder in Schwarzers Leben trat. Er wurde australischer Held, als er sein Team mit zwei gehaltenen Elfern gegen Uruguay zur WM in Deutschland brachte. Als die Bayern einen erfahrenen Reservemann für Michael Rensing suchten, sprachen sie mit Schwarzer. Der lehnte ab, er wollte nicht wieder die Nr. 2 in Deutschland spielen.

Heute startet der Mann mit dem deutschen Pass ins Turnier, gegen Deutschland. Schwarzer sagt: „Ich habe keine gemischten Gefühle, ich bin 100 Prozent Australier.“ Genau wie Vater Hans. Er drückt den Socceroos am Fernseher die Daumen. „Um halb fünf Uhr morgens geht’s los“, erzählt der Australier mit seinem schwäbischen Akzent.

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