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Ein Weltmeister soll’s richten. Manager Dieter Hoeneß ist davon überzeugt, dass Pierre Littbarski (l.) resoluter zu Werke geht als Steve McClaren (r.). Foto: firo

© firo Sportphoto

Sport: Der Dolmetscher wird Chef

Der VfL Wolfsburg setzt den erfolglosen Steve McClaren vor die Tür – sein bisheriger Kotrainer Pierre Littbarski soll sich nun als Retter versuchen

Von Christian Otto

Sein Untergang in Etappen endete mit den üblichen, tröstenden Worten. „Wir haben es gemeinsam bis zum letzten Tag versucht“, sagte Dieter Hoeneß mit betretener Stimme und meinte den Rauswurf jenes Trainers, den er als Manager erst im vergangenen Sommer zum VfL Wolfsburg geholt hatte. Die Entlassung von Steve McClaren, am gestrigen trainingsfreien Tag vollzogen, soll beim seit Monaten kriselnden Fußball-Bundesligisten eine Trendwende einleiten. Von heute an darf Pierre Littbarski sein Glück versuchen, bisher eine Art Assistent und Dolmetscher an der Seite des Briten. Hoeneß hofft, dass Littbarski „die notwendigen Maßnahmen einleitet“. Dafür hat der Weltmeister von 1990 offiziell bis zum Saisonende Zeit. „Es ist geplant, die Saison mit ihm zu Ende zu führen“, sagte Hoeneß. „Er wird mit allen Vollmachten eines Cheftrainers ausgestattet und bekommt auch einen Kotrainer.“

Die Antwort auf die Frage, wie der freie Fall einer so teuren Mannschaft in der Tabelle (Platz 12, nur einen Punkt vor den Abstiegsrängen) gestoppt werden soll, gehört zu wohl den schwierigsten in der Liga. McClaren hatte die Wolfsburger Verantwortlichen in seiner Not ohne die nötigen Punkte gedrängt, den ohnehin prominent besetzten VfL-Kader weiter zu verstärken. Aber die jüngste Einkaufstour mit sechs Neuzugängen für 15 Millionen Euro kam für ihn zu spät. Der letzte verzweifelte Versuch von McClaren, einem verunsicherten Team durch den Einsatz von Neuzugängen wie Jan Polak, Tuncay und Patrick Helmes mehr Stabilität zu verleihen, endete mit einer weiteren Pleite. Beim 0:1 gegen Hannover 96, als Diego eigenmächtig einen Elfmeter ausführte und verschoss, war offensichtlich geworden, dass Respekt die Spieler vor ihrem erfolglosen Trainer am Ende kaum noch Respekt hatten.

Mit Littbarski steigt in Wolfsburg nun ein international erfahrener, aber im Grunde noch erfolgloser Trainer zur Probe auf. Hoeneß muss in seiner Verzweiflung zu dem Schluss gekommen sein, dass der langjährige Torjäger des 1. FC Köln zumindest für das Erreichen der kurzfristigen Ziele der richtige Mann ist. Der 50 Jahre alte Littbarski hat sein Glück als Trainer schon in Japan, Australien, Liechtenstein, Duisburg und dem Iran versucht. Aber er dürfte nur als Notnagel zum Einsatz kommen, bis ein Mann für langfristig angelegte Konzepte wie Ralf Rangnick (zuletzt Hoffenheim) verpflichtet werden kann.

„Unser Ziel kann vorerst nur sein, den Abstand zu den Abstiegsrängen zu bewahren“, gesteht Hoeneß, der vor einem Jahr seinen Job am Ufer des Mittellandkanals angetreten hat, um den VfL Wolfsburg auf Dauer in den internationalen Fußball zu führen. Bisher hat man bei diesem Unterfangen einen erstaunlichen Umweg eingeschlagen, wofür im vergangenen Jahr Armin Veh und jetzt eben McClaren auf der Trainerbank verantwortlich gemacht wurden. Der Kardinalfehler der sportlichen Leitung, mit der Weggabe von Zvjezdan Misimovic einer Mannschaft das spielerische Herz zu nehmen, ist jedoch nicht auf dem Platz, sondern hinter einem Schreibtisch gemacht worden. Und mit dem Verkauf des besten Stürmers Edin Dzeko an Manchester City während der Winterpause vergrößerte sich das Unheil noch. Jetzt wurde panisch nachgekauft, um zumindest den Sturz in die Zweite Liga zu vermeiden.

McClaren sind wenige, aber elementare Vorwürfe zu machen. Am Ende war der 49 Jahre alte Gentleman, der in der vergangenen Saison mit Twente Enschede Holländischer Meister geworden war, zu nett für eine Mannschaft, die es sich nach ihrem Meisterschaftsgewinn im Sommer 2009 zu bequem gemacht hat. Und McClaren hat zu lange an einem System und seiner Vorstellung von schönem Fußball festgehalten, ohne die richtigen Spieler dafür im Kader zu haben. Einen Stürmer wie Grafite, dem derzeit ohne jedes Selbstvertrauen die einfachsten Dinge misslingen, bietet man besser nicht als einzige Spitze auf. Einen Egozentriker wie Diego streichelt man nicht nur, sondern lässt ihn auch einmal Härte spüren. Littbarski soll nun zeigen, dass er auf dem Trainingsplatz eine klarere und deutlichere Sprache spricht, die auch wirklich alle Wolfsburger Profis verstehen.

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