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Sport: Der Erlösung nahe

Nach dem 0:1 in Hannover ist Mönchengladbach schon fast abgestiegen

Man sollte kaum glauben, dass es für Borussia Mönchengladbach in dieser an Peinlichkeit überreichen Saison überhaupt noch eine Peinlichkeit gibt, die der Verein noch nicht erlebt hat. Aber schlimmer geht es immer. Eine halbe Stunde war gegen Hannover 96 vorüber, als Nationalspieler Marcell Jansen zum Wechseln seiner Fußballschuhe an die Seitenlinie kam. Ihm war ein Stollen aus der Sohle gebrochen, das Ersatzpaar aber lag noch in der Kabine. Jansen musste im rechten Mittelfeld nahezu untätig auf seine neuen Schuhe warten, derweil sich über seine Seite der Hannoveraner Szabolcs Huszti aufmachte, von links in den Gladbacher Strafraum flankte, den nahezu ungedeckten Arnold Bruggink fand, dessen Schuss zum 1:0 im Tor landete. Sein viertes Tor in dieser Saison war der einzige Treffer eines mäßigen Spiels, das Hannover zu Recht gewann. „Heute war es nicht der spielerische Glanz, der uns zum Sieg verholfen hat“, sagte Trainer Dieter Hecking, „sondern eine Rieseneinstellung.“

Mit dem ersten Erfolg nach sechs sieglosen Spielen verhinderte 96 den endgültigen Absturz aus dem Mittelfeld der Tabelle. „Wir können nicht mehr Letzter werden“, sagte Hecking. Zumal die Gladbacher den letzten Tabellenplatz wohl weiterhin mit Zähnen und Klauen verteidigen werden. Ihre Chancen auf den Verbleib in der Bundesliga sind nach der gestrigen Niederlage nur noch theoretischer Natur. „Wir haben es irgendwie auch verdient, dass wir runter gehen“, sagte Jansen. Ja, so wie die Mannschaft dem Niedergang entgegensiecht – träge, uninspiriert, taktisch unbedarft, harmlos und immer zu langsam – muss der Abstieg fast wie eine Erlösung erscheinen. „Das ist eine Entwicklung, die schon seit vier, fünf Jahren anhält“, sagte Jansen. „Jetzt bekommen wir eine Art Quittung.“

Eine Quittung ist das für sportliche Inkompetenz im Vereinspräsidium gepaart mit Größenwahn, für Ungeduld und die daraus folgende abstruse Einkaufspolitik. Bei den Gladbachern spielt mit dem Argentinier Insua der vermutlich teuerste Spieler der Bundesligageschichte, wenn man die Transfersumme auf die gelungenen Momente in seinem Spiel umlegt. In Hannover war es in 90 Minuten nicht ein einziger, der ihn ereilte. „Wir sind wieder einmal an unsere Grenzen gestoßen“, sagte Borussias Trainer Jos Luhukay, „vor allem im Spiel nach vorne.“

Seit Anfang Februar haben die Gladbacher in nun fünf Auswärtsspielen kein Tor mehr erzielt, zum neunten Mal in dieser Saison verloren sie 0:1. Obwohl die Begegnung in Hannover nach der letzten Chance so etwas wie die allerletzte war, erspielte sich das Team bis zur Schlussphase keine einzige Tormöglichkeit.

Nach dem Drei-Jahres-Plan ihres ehrgeizigen Präsidenten Rolf Königs sollte Borussia Mönchengladbach sich am Ende dieser Saison eigentlich erstmals wieder für einen europäischen Wettbewerb qualifiziert haben; stattdessen steigt die Mannschaft zum zweiten Mal nach 1999 aus der Bundesliga ab. Trainer Luhukay forderte für die letzten Spiele – darunter im eigenen Stadion gegen Stuttgart und die Bayern – „noch mehr Charakter, um mit Ehre und Anstand aus der Liga zu gehen“. Es ist gut möglich, dass die Mannschaft schon damit überfordert ist.

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