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Kleiner Mann ganz groß. Marko Marin (2. v. r.) trainiert bei der Nationalmannschaft mit Kevin Kuranyi, Mario Gomez und Serdar Tasci (v.l.).

© ddp/Lang

Der Ex-Nationalspieler wechselt zu Trabzonspor: Die verlorene Karriere des Marko Marin

Marko Marin galt als eines der größten Talente im deutschen Fußball. Seit Jahren aber geht es für ihn stetig bergab. Jetzt ist er in der Türkei gelandet.

Ziemlich genau sechs Jahre ist es her, dass ich mit Marko Marin in den Urlaub geflogen bin. Okay, das hört sich jetzt ein bisschen aufregender an, als es in Wirklichkeit gewesen ist: Marko Marin ist in den Urlaub geflogen, ich bin in den Urlaub geflogen, und zufälligerweise saßen wir dabei im selben Flugzeug. Viel spannender ist im Nachhinein eigentlich, welche Lektüre sich Marin im Juli 2009 auf dem Flughafen für den Urlaub besorgt hatte. Zum einen „Der Mathematik-Verführer“ von Christoph Drösser, zum anderen das Buch „Asshole: Wie ich lernte ein Schwein zu sein und dabei reich und glücklich wurde“. Ein Schwein ist Marko Marin, nach allem, was man weiß und hört, wohl nicht; reich ist er in den vergangenen sechs Jahren ganz sicher geworden – aber glücklich? Seine Rechnungen jedenfalls sind, trotz Mathematik-Verführer, nicht immer aufgegangen.

„Dribbelkünstler und Flügelflitzer“ nennt sich Marin auf seinem Twitter-Account. „Folgt mir, wenn ihr schnell genug seid.“ Ganz so einfach ist es tatsächlich nicht, immer nachzuhalten, wo sich Marin auf seiner Odyssee durch den europäischen Fußball gerade befindet. Dass es ihn jetzt sogar über die geografische Grenze des Kontinents hinaus verschlagen hat, hat Marin selbst seinen Followern bis Mittwochnachmittag vorenthalten. Dabei hatte er bereits am Dienstag einen Einjahresvertrag beim türkischen Erstligisten Trabzonspor unterschrieben. Es ist bereits der siebte Verein, für den Marin als Profi spielt – und der fünfte seit seinem Wechsel zum FC Chelsea vor drei Jahren. Formal steht er immer noch bei den Londonern unter Vertrag, die ihn gerade zum vierten Mal weiter verliehen haben. Mit dem Dribbelkünstler und Flügelflitzer, für den sie sieben Millionen Euro an Bremen gezahlt haben, wissen sie schon lange nichts mehr anzufangen.

Erste Station der Europareise. 2012 wechselte Marin zum FC Chelsea. Sein Vertrag läuft dort noch bis 2017.
Erste Station der Europareise. 2012 wechselte Marin zum FC Chelsea. Sein Vertrag läuft dort noch bis 2017.

© dpa

Das Muster ist inzwischen deutlich erkennbar. Für Marin ist es bei seiner Europa-Tour beständig bergab gegangen: von Chelsea zum spanischen Spitzenklub FC Sevilla, mit dem er 2014 immerhin noch die Europa League gewann, weiter über den AC Florenz nach Belgien zum RSC Anderlecht und jetzt in die türkische Süper Lig, deren Name allerdings mehr und mehr zum Etikettenschwindel geworden ist. Marin wird zwar als der einzige deutsche Fußballer geführt, der in allen vier großen europäischen Ligen gespielt hat. Korrekt ist das allerdings nur bedingt, weil er für den AC Florenz in der Hinserie der vergangenen Saison zwar in der Europa League zum Einsatz gekommen ist, nicht aber in der Serie A. Auch seine Bilanz in Anderlecht war eher mäßig. In einem halben Jahr kam er – auch wegen Verletzungen – nur zu sechs Ligaspielen und zwei Einsätzen im Pokal. Jede Spielminute, so hat ein belgisches Internetportal nachgerechnet, hat den Klub allein an Ablöse 1841 Euro gekostet.

"Er kann der Mannschaft etwas Besonderes geben", sagte Bundestrainer Löw

Im Juli 2009 schienen Marin noch ganz andere Klubs und Ligen offenzustehen. Für neun Millionen Euro wechselte er in jenem Sommer vom Abstiegskandidaten Borussia Mönchengladbach zum Europapokalteilnehmer und Bayern-Rivalen Werder Bremen. Mit der U 21 war er gerade Europameister geworden, und in jener Mannschaft hatten nicht etwa Mats Hummels, Benedikt Höwedes oder Mesut Özil den mit Abstand prominentesten Namen – sondern Marin. Der war bereits A-Nationalspieler und hatte ein Jahr zuvor zum vorläufigen Aufgebot für die EM in Österreich und der Schweiz gehört. „Der Kleine ist wahnsinnig positiv“, hat Bundestrainer Joachim Löw damals über den nur 1,68 Meter großen Fummler gesagt. „Er kann der Mannschaft etwas Besonderes geben.“

Er blieb nur ein Versprechen. Im September 2008 erzielte Marin beim 2:0 gegen Belgien sein erstes (und einziges) Tor für die Nationalmannschaft.
Er blieb nur ein Versprechen. Im September 2008 erzielte Marin beim 2:0 gegen Belgien sein erstes (und einziges) Tor für die Nationalmannschaft.

© dpa

Marins Talent war bereits früh aufgefallen. Mit gerade 18 debütierte er im April 2007 für Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga. Bis heute ist er damit der jüngste Bundesligaspieler des Klubs. „Er ist ein Spieler, der das hat, was wir in Deutschland in den vergangenen Jahren in hohem Maße vermisst haben“, hat DFB-Trainer Bernd Stöber damals gesagt, unter dem Marin in der U-16- und U-17-Nationalmannschaft gespielt hatte. „In den 20 Jahren beim DFB hatte ich keinen, der so überragend im Dribbling war. Da gibt es keinen Vergleich.“ Ein Jahr später bestritt Marin sein erstes A-Länderspiel, obwohl er mit den Gladbachern in jener Saison nur in der Zweiten Liga spielte. Borussias Sportdirektor Max Eberl prognostizierte in jener Zeit: „Er wird ein Großer werden. Er hat die gewisse Extraqualität.“ Aus heutiger Sicht wirkt das fast ein wenig weltfremd, aber damals war diese Ansicht so etwas wie Common Sense.

Der Niedergang begann eigentlich schon während der U-21-EM, als Marin anfangs Stammspieler war, am Ende aber auf der Bank landete. Dafür spielten sich andere wie Mesut Özil oder Sami Khedira zunehmend in den Vordergrund. Aus jener U-21-Mannschaft sind sechs Spieler 2014 Weltmeister geworden, Marin hingegen hat 2011 sein letztes A-Länderspiel bestritten. Bei der WM 2010 stand er noch im Kader, mehr als zwei Einwechslungen in der Vorrunde sprangen für ihn in Südafrika allerdings nicht heraus. Überhaupt kam er bei seinen 16 Länderspielen 13-Mal von der Bank.

Früh auffällig. Marko Marin (hier mit Trainer Hans Meyer) ist bis heute der jüngste Bundesliga-Debütant bei Borussia Mönchengladbach.
Früh auffällig. Marko Marin (hier mit Trainer Hans Meyer) ist bis heute der jüngste Bundesliga-Debütant bei Borussia Mönchengladbach.

© dpa

Das Talent, das ihn so weit gebracht hatte, hat sich letztlich als Fluch für Marko Marin erwiesen. Vieles scheint ihm zu leicht gefallen zu sein. Schon in seiner Zeit bei Borussia Mönchengladbach hat er einmal erzählt: „Ich werde zwar oft kritisiert, und gerade in den Mannschaftsbesprechungen fällt oft mein Name, aber ich hoffe, das hilft mir.“ Sein damaliger Trainer Hans Meyer hatte allerdings nicht das Gefühl, dass Marin besonders lernwillig sei; Meyer hat auch den Wechsel zu einem Spitzenverein, wie Bremen es damals war, für zu früh erachtet.

Bei Werder wies Marins Leistungskurve erstmals nach unten, immer mehr rückte er in den Schatten des fünf Monate älteren Mesut Özil. „Markos Entwicklung war nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben“, gab auch Werders Manager Klaus Allofs zu. Umso überraschender war es, dass Marin 2012 zum FC Chelsea wechselte, der gerade die Champions League gewonnen hatte. „Die Premier League passt perfekt für mich“, glaubte Marin. „Vor allem Chelsea, dessen Spiel über die Außen angelegt ist, kommt mir entgegen.“ Eine solche Aussage zeigte vor allem die verquere Wahrnehmung – seiner selbst und seiner Situation. In seiner ersten Saison für die Londoner kam Marin auf sechs Einsätze in der Premier League, insgesamt spielte er gerade mal 144 Minuten.

Dass er jetzt in der Türkei gelandet ist, ist die konsequente Fortschreibung seiner verlorenen Karriere. Die Süper Lig wird immer mehr zu einem Tummelplatz für alternde Stars. Bei Samuel Eto’o, 34, Robin van Persie, 32, Wesley Sneijder, 31, Mario Gomez und Lukas Podolski, beide 30, befindet sich Marin in illustrer Gesellschaft.

Marko Marin ist 26.

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