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Sport: Der Fall Poss

Im deutschen Eishockey entbrennt ein Machtkampf

Berlin - Vor sieben Monaten wurde Greg Poss Eishockey-Bundestrainer. Das ist nicht lange her, genügte aber, um die deutsche Nationalmannschaft in ihre größte Krise seit Jahren zu stürzen. Spätestens seit die Deutschen bei der Weltmeisterschaft in Österreich abgestiegen sind, deutete sich an, dass Poss seinen bis 31. Mai 2006 befristeten Vertrag nicht erfüllen wird. Heute will das Präsidium des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) in München über die Zukunft von Poss entscheiden. Geht es nach Franz Reindl, dem Sportdirektor des DEB, ist die Entscheidung längst gefallen. Er glaube nicht, sagt Reindl, dass Poss der richtige Mann sei, „der den hinterlassenen Scherbenhaufen beseitigen kann“.

Reindl hat sich selbst als Interimstrainer ins Gespräch gebracht. Zum Ärger seines Präsidenten Hans Ulrich Esken. „Es war abgemacht, dass keiner bei uns hü oder hott sagt“, sagt Esken. „Am Freitag werden wir uns eine Analyse der WM von Poss und Reindl anhören, dann werden wir gemeinsam entscheiden.“ Insider beim DEB erwarten dabei einen Machtkampf zwischen Esken und Reindl.

Schon bei der WM wurde der Bruch zwischen Reindl und Poss deutlich. Reindl hatte vor einem Jahr den Abschied von Hans Zach als Bundestrainer bedauert. Zach, unter dem Deutschland 2000 den Aufstieg in die A-Gruppe geschafft hatte, hat nun gesagt: „Den Abstieg müssen Esken und Poss verantworten und die Leute, die so großspurig waren.“ Esken hat für diese Aussage kein Verständnis. Zachs Rückkehr zum Nationalteam schließt er aus: „Es gibt keine Doppelfunktion Klub- und Nationaltrainer mehr.“ Zach ist Trainer der Kölner Haie in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL).

Die DEL verfolgt das Durcheinander beim DEB argwöhnisch. Die Liga wittert eine Imageschädigung ihrer Sportart. Vergebens hatte DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke an den DEB appelliert, sich für die Ausrichtung der B-WM zu bewerben. Tripcke wollte, „dass Deutschland mit dem Heimvorteil sofort wieder aufsteigt“. Nun soll das in Frankreich geschehen. Der DEB hatte sich nicht beworben, „voller Terminkalender“, hieß es. Gerade der aber sorgt Tripcke. Zum angedachten DEL-Saisonbeginn nimmt das Nationalteam am Canada-Cup teil (bis 5. September). Die Termine für die DEL-Saison, die für die Olympischen Winterspiele unterbrochen wird und wegen der B-WM (24. April 2006) früh beendet sein muss, werden knapp. „Vielleicht verzichtet der DEB wenigstens auf den Canada Cup“, sagt Tripcke. Daran denkt beim DEB bisher jedoch niemand.

Auf der DEL-Gesellschafterversammlung gestern in Frankfurt am Main war das Thema Zusammenarbeit mit dem DEB erster Tagesordnungspunkt. Die Liga unterstützt den DEB mit 650 000 Euro im Jahr für die Nachwuchsförderung. Dass nun niemand weiß, wer als Cheftrainer die Sommerlehrgänge der Nachwuchsnationalteams betreuen wird, macht die Situation nicht erfreulicher für die DEL – auch wenn Esken meint: „Zur Not kann das Franz Reindl machen, wir dürfen jetzt nur nicht ins Chaos verfallen.“

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