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Vorsprung dank Technik. Bayerns Abräumer Javier Martinez kann nicht nur rustikal.

© dpa

Der FC Bayern vor dem Finale der Champions League: Javi Martinez: Ein Baske für die Balance

Javi Martinez wurde beim FC Bayern zu Beginn skeptisch beäugt, inzwischen ist der Baske unverzichtbar. Dabei überzeugt der 40-Millionen-Euro-Einkauf vor allem durch seine Variabilität.

Vermutlich gehört Franz Beckenbauer nicht zu den Menschen, die sich in Kaffeeläden herumtreiben, um diverse Bohnen und die Geheimnisse der Röstung zu erkunden. Nur so ist zu erklären, dass er zu Saisonbeginn beim Namen Martinez auf eine Kaffeesorte getippt hat, oder besser: haben soll. Die Anekdote gab später der Trainer des FC Bayern München, Jupp Heynckes, zum Besten. Ob sie stimmt ist fraglich, obwohl der Fußball-Kaiser diesen Vergleich nie dementiert hat.

Tatsächlich aber hatte Beckenbauer im vergangenen August mit dem Zugang Javier Martinez nichts anzufangen gewusst. Nun, am Ende einer bisher sehr gelungenen Saison der Bayern, die am Samstag in London mit dem Sieg im Champions-League-Finale gegen Borussia Dortmund gekrönt werden soll, weiß er, wer dieser Martinez ist und was er kann. „Der Bursche gefällt mir“, sagt Beckenbauer: „Er denkt für die ganze Mannschaft mit und geht hin, wenn er hingehen muss.“

So wie Beckenbauer erging es vielen bei der Verpflichtung des Spaniers, für den die Münchner 40 Millionen Euro an Athletic Bilbao überwiesen. Ist ein defensiver Mittelfeldspieler, der in der Nationalmannschaft des Europa- und Weltmeisters nur Ersatz ist, der international noch keine Reputation hat, so viel Geld wert? „Ich hatte schon ein bisschen Angst“, sagt Martinez. „Als ich unterschrieben habe, hatte ich ja keine Vorstellungen davon, wie es werden würde.“

Es wurde alles gut, sehr gut. Er hat seinen ersten Klubtitel gewonnen, Nummer zwei und drei können in den nächsten Wochen folgen, und entwickelte sich innerhalb nicht einmal eines Jahres zu einem wichtigen Pfeiler.

"Mit so einem Mann gewinnt man Schlachten."

Heynckes sieht in dem Basken einen der Hauptgründe, warum die Bayern in dieser Saison defensiv so souverän auftreten. 18 Gegentore in den 34 Bundesligaspielen ist Rekord. In der Champions League kassierten sie zwar zehn Treffer, ab dem Viertelfinale aber keinen einzigen mehr. „Man muss nur hinsehen, wie er spielt“, sagt Heynckes. Martinez ist an der Seite von Bastian Schweinsteiger verantwortlich dafür, dass die Balance zwischen Defensive und Offensive stimmt. Er verrichtet oft unauffällig, aber effektiv seine Arbeit. Gegen Mannschaften, die mit großer Kampfkraft, aber ohne Kreativität auftreten, zeigt er körperliche Präsenz, greift ein, wenn nötig, aber rückt nicht in den Fokus. Gegen spielstarke Mannschaften wie Juventus Turin, den FC Barcelona oder am Samstagabend Borussia Dortmund kommt es auf ihn an, darauf, dass er den ballverliebten Kontrahenten das Spielgerät stibitzt, immer wieder. „Mit so einem Mann“, sagt Beckenbauer etwas drastisch, „gewinnt man Schlachten.“

Martinez tritt bei den Bayern in die Fußstapfen eines Stefan Effenberg oder eines Mark van Bommel. Mit dem einen hatten die Münchener 2001 die Champions League gewonnen, der andere galt zumindest eine Saison lang als idealer Partner von Schweinsteiger im Mittelfeld. Effenberg und van Bommel prägten das aggressive Spiel beim FC Bayern, verschafften sich und der Mannschaft mit einer Grätsche zum richtigen Zeitpunkt den nötigen Respekt. Martinez hat ähnliche Qualitäten, aber ist doch ein ganz anderer Typ. Er mag das Wort „aggressiv“ im Zusammenhang mit seinem Spiel nicht so sehr. „Kämpferisch“ findet er eine treffendere Bezeichnung. Martinez gibt nicht den Rüpel auf dem Platz wie manchmal seine Vorgänger, er ist konsequent in seinen Aktionen, aber er versucht immer, sich in den Grenzen des Erlaubten zu bewegen.

Es hat allerdings etwas gedauert, bis er die Skeptiker überzeugte. In der Vorrunde saß Martinez manchmal auf der Bank, mit dosierten Einsätzen führte ihn Heynckes an die Mannschaft, an die bei Bayern besonders hohen Anforderungen heran. Die Teilzeitarbeit war abgesprochen mit Martinez, der vor seinem Wechsel eine Mammutsaison mit Europameisterschaft und Olympischen Spielen in London hinter sich hatte. Die behutsame Integration kommt ihm jetzt zugute. „Mir geht es sehr gut, nicht nur auf dem Platz. Ich bin stolz und froh, hier gelandet zu sein.“ Wen stört es da schon, dass Beckenbauer ihn anfangs für eine Kaffeesorte hielt?

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