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Sport: Der Feind ist nicht Amerika

Viele europäische Staaten haben, das darf man wohl behaupten, in der Vergangenheit nicht viel auf die Gepflogenheiten anderer Länder gegeben. Die Briten machten da keine Ausnahme.

Von Christian Hönicke

Viele europäische Staaten haben, das darf man wohl behaupten, in der Vergangenheit nicht viel auf die Gepflogenheiten anderer Länder gegeben. Die Briten machten da keine Ausnahme. Zu Zeiten des großen Empires haben sie viele Little Britains in fast alle Teile der Erde exportiert. Nun scheint das Herz Englands und die Wiege des modernen Sports in Europa selbst von der Kolonialisierung bedroht: die Premier League.

Die Mehrheit der englischen Klubs ist inzwischen in der Hand ausländischer, zumeist US-amerikanischer Investoren. Und die wollen die Gepflogenheiten ihres Sportsystems nach England transferieren und Auf- und Abstieg abschaffen. Nun wäre es für den oft im eigenen Saft schmorenden Fußball gar nicht so schlecht, hin und wieder über die eigenen Grenzen hinauszuschauen. Die Überlegungen der Investoren jedoch rütteln an den Grundpfeilern des europäischen Verständnisses von Sport und Chancengleichheit.

Das europäische System fußt im Gegensatz zu den geschlossenen Profiligen in den USA auf der Idee, dass man es mit sportlichem Geschick und Ausdauer vom Dorfklub in die Champions League schaffen kann. Natürlich ist das angesichts der immer höheren finanziellen Hürden ein weitgehend abstraktes Konstrukt. Aber tatsächlich geschlossene Ligen würden Millionen Fans unterklassiger Vereine schlagartig jede Illusion nehmen und sie für immer aus dem Spitzenfußball ausschließen.

Wer den Fall für ein lokales Phänomen in England hält, liegt falsch. Hier geht es um mehr als bloßen Kulturkolonialismus. Die Hauptantriebsfeder ist eine Strömung im Sport, die derzeit weltweit ihr Unwesen treibt: der Ruf nach Planungssicherheit. Um das Risiko für Millionenverluste zu dimmen, wird der Ursprung des Wettbewerbs, das Jeder-kann-es-schaffen, immer öfter ausgehebelt. Im deutschen Eishockey gibt es längst keine Absteiger mehr, auch in der Fußball-Bundesliga wurde die Relegation wiederbelebt und damit de facto ein Absteiger abgeschafft.

Die wahre Bedrohung für den Sport und die Premier League im Speziellen sind also nicht die Amerikaner oder die Asiaten. Es ist der Gegner, der am schwersten zu besiegen ist: das Geld.

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