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Wenn Jubel zur Gewohnheit wird. Martin Fourcade kann kaum glauben, dass er zweifacher Weltmeister von Ruhpolding geworden ist. Foto: Reuters

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Sport: Der fliegende Franzose

Martin Fourcade gewinnt dank herausragender Laufform bei der Biathlon-WM in Ruhpolding nach dem Sprint auch die Verfolgung.

Über den frechen Kommentar seines Nebenmanns konnte der Biathlet Martin Fourcade nicht wirklich lachen. Der 23-jährige Franzose saß nach seinem Sieg im Verfolgungsrennen als Doppelweltmeister von Ruhpolding auf dem Podium, als seine Gedanken noch einmal kurz zum ersten Streich vom Vortag zurückwanderten. Den Sprint hatte Fourcade da vor dem Norweger Emil Hegle Svendsen gewonnen – trotz zweier Fehlschüsse, wofür sich der Mann aus dem Touristenort Les Rousses im Hochjura fast ein wenig schämte. Der Grund für die Wackler am Schießstand? „Er war nervös“, sagte der Schwede Carl Johan Bergman, am Sonntag Zweiter, auf dem Stuhl neben Fourcade.

Der dunkelhaarige Monsieur hatte gestutzt, ehe er den vorlauten Skandinavier leicht beleidigt korrigierte: „Nein, besonders nervös war ich nicht.“ Dafür war er überwältigt von sich selbst, auch wenn er bei seiner vierten Schießübung zweimal danebenzielte und dadurch zwischenzeitlich hinter Bergman zurückfiel.

Aber auf einem der letzten Anstiege vor dem Ziel flog der gebürtige Südfranzose an dem zehn Jahre älteren Schweden regelrecht vorbei und kam schließlich doch noch als Erster ins Ziel. Einen Meter nach der Ziellinie schnallte sich Martin Fourcade dann noch in vollem Lauf die Ski von den Füßen und rannte jubelnd auf die Fotografen zu. Völlig euphorisch feierte der 23-Jährige seinen zweiten Titel bei der Biathlon-WM in Ruhpolding. „Zwei Goldmedaillen – das ist mehr, als ich für mein ganzes Leben erwartet habe. Jetzt weiß ich ja gar nicht, was für Ziele ich mir künftig noch setzen soll“, sagte Fourcade, der als Weltcup-Führender in den Chiemgau gereist war und seine Ziele nun so festlegte: „Ich will zusehen, dass ich mich im Schießen verbessere.“

Denn bei diesem Teil des winterlichen Doppelwettkampfs zielte der aktuell beste Biathlet der Welt mit vier Fehlern auch in der Verfolgung wieder deutlich schlechter als der Rest der Weltelite. „Ich weiß nicht, warum ich im letzten Schießen noch zweimal nicht getroffen habe“, sagte Fourcade. „Ich war eigentlich sehr ruhig vor dem Rennen, ich wusste, was ich kann.“ Doch während der Franzose trotzdem viermal patzte, kam Bergman ebenso wie der Österreicher Daniel Mesotitsch, der Vierter wurde, mit zwei Fehlern aus. Bronzemedaillengewinner Anton Schipulin aus Russland musste gar nur einmal in die Strafrunde. Auch Simon Schempp, der sich nach dem für die deutschen Männer völlig enttäuschenden Sprint als bester Deutscher vom 19. auf den 9. Platz verbesserte, leistete sich nur zwei Fehler. Arnd Peiffer kämpfte sich von Platz 37 um zwanzig Ränge nach vorn – und hatte viele lobende Worte für den Sieger parat.

„Dass er bei dieser WM und in dieser Saison so gut ist, überrascht mich nicht. Ich kenn’ ihn ja schon seit ein paar Jahren – und muss sagen: Er hat sich gut entwickelt, der Bursche“, sagte Peiffer. Und: „Er ist im Moment der absolut schnellste Biathlet.“ Genau das ist Fourcades wirksamstes Gegenmittel für seine Schießschwäche: seine Schnelligkeit. „Ich hatte überhaupt keine Chance gegen ihn. Ich kann bergauf einfach nicht so schnell laufen wie er“, sagte Bergman. „Ehre, wem Ehre gebührt – da steht heute schon der Richtige ganz oben“, sagte Peiffer. Die herausragenden Leistungen in der Loipe verleiten Martin Fourcade zu interessanten Gedankenspielen. Weil es bei den Biathleten gerade so rund läuft, denkt er schon an einen Start bei der Nordischen Ski-WM 2013 in Val di Fiemme. „Das kann ich mir bei ihm gut vorstellen“, erklärte der Cheftrainer der deutschen Biathleten, Uwe Müssiggang, nach der Sonntagsverfolgung von Ruhpolding. „Seine Laufleistung ist einfach überragend.“

Fourcade nahm die vielen netten Worte dankend entgegen. Er wirkte vollkommen zufrieden. Im Gegensatz zu jemand anderem, der am Sonntag Sechster wurde: Fourcades Bruder Simon, der über Martin Fourcade sagte: „Er hat mich zuletzt oft geschlagen. Das war nicht leicht zu akzeptieren, aber inzwischen bekomme ich es hin und versuche, von meinem Bruder zu lernen“, sagt der 27-Jährige. Simon Fourcade war es, der seinen vier Jahre jüngeren Bruder einst zum Biathlon gebracht hatte und ihn immer unterstützt hat. „Dass Martin mit vier Strafrunden gewonnen hat, ist unglaublich und eine große Leistung“, sagte Simon Fourcade. „Unsere Eltern verfolgen die Rennen auf einem großen Bildschirm mit vielen Freunden und Familie. Sie feiern die beiden Titel ihres Sohnes.“

Noch mehr würden sie sicher feiern, wenn sich die Brüder in Ruhpolding noch ihren großen Traum erfüllten und irgendwann gemeinsam aufs Podest kletterten.

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