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Sport: Der Freund an meinem Brett

Leko gegen Kramnik: das harmonische Schachduell

Brissago – Bobby Fischer sitzt seit Wochen im japanischen Internierungslager Ushiko und kämpft gegen seine Auslieferung in die USA. Peter Leko sitzt auch heute wieder im „Centro Dannemann“ am Lago Maggiore und versucht das zu schaffen, was Fischer beim so genannten Jahrhundertwettkampf in Reykjavik 1972 gelang: Schachweltmeister zu werden. „Er ist mein Idol“, hat Leko einmal über Fischer gesagt. Tatsächlich hat er gute Chancen, seinem Vorbild mit einem Sieg über den Weltmeister Wladimir Kramnik nachzueifern. Nach seinem Ausgleich in der fünften Partie gelang dem Ungarn in der sechsten ein Remis aus der Position der Stärke. Vor der siebten Runde, die Leko heute mit Weiß eröffnet, steht es 3:3.

Einen nicht unwesentlichen Anteil daran hat der geniale Exzentriker Bobby Fischer. Im Sommer 1998 begegnete er Leko zufällig in einem Budapester Schwimmbad. „Der ist richtig nett“, fand der damals 18-jährige Leko. In der Folge trafen sie sich gelegentlich und analysierten Partien. „Seine Einschätzungen sind unglaublich“, sagte Leko. Er lernte viel in dieser Zeit. Mittlerweile spricht er aber zurückhaltender über Fischer, der in letzter Zeit – obwohl selbst jüdischer Herkunft – vor allem mit antisemitischen Äußerungen auffällig geworden war.

Ohnehin erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten der beiden auf ihr brillantes Schachspiel. Der nette Peter Leko ist das komplette Gegenteil des verschrobenen Bobby Fischer. Der US-Amerikaner hatte 1972 den Russen Boris Spasski besiegt und damit die jahrzehntelange sowjetische Vormachtstellung im Schach gebrochen. Anschließend tauchte Fischer unter. Erst 20 Jahre später setzte er sich, inzwischen verarmt, für 3,3 Millionen Dollar wieder gegen Spasski ans Brett. Der Showkampf fand in Sveti Stefan und Belgrad statt, womit Fischer gegen das US- Embargo gegen Jugoslawien verstieß. Weil ihm in der Heimat eine Gefängnisstrafe drohte, ließ er sich zunächst in Budapest, später in Japan nieder.

Von einer solchen Vita ist Leko weit entfernt. Sein Kampf gegen Kramnik steht nicht in der Tradition der Duelle großer Schachegomanen wie Kasparow gegen Karpow oder Spasski gegen Fischer. Leko und Kramnik mögen sich sogar. Eine Lehrstunde sei es für ihn gewesen, meinte Kramnik nach der verlorenen fünften Partie. Und für Leko war es ein „aufregendes Gefühl“, erstmals mit Weiß eine Variante zu spielen, „mit der Wladimir normalerweise als Weißer seine Gegner quält“. Nach jeder Partie schlendern die beiden gemeinsam zur Pressekonferenz und reden freundlich mit- und übereinander. Sie haben den gleichen Manager, wohnen im gleichen Hotel und benutzen sogar die gleichen sanitären Einrichtungen der Veranstaltungshalle von Brissago. Für jemanden wie Bobby Fischer wären diese Bedingungen inakzeptabel gewesen.

Der frühere Weltmeister Anatoli Karpow ließ verlauten, es sei „die schönste Schachveranstaltung der letzten Jahre“. Ausgerechnet Karpow, der 1978 noch einen Parapsychologen in der ersten Zuschauerreihe Platz nehmen ließ, dessen einzige Aufgabe darin bestand, seinen Herausforderer Viktor Kortschnoi unentwegt anzustarren. Das Schach habe sich eben verändert, sagt Karpow, vor allem durch die Computer. Was sich nicht bestreiten lässt: Strömten in Reykjavik 1972 noch Tag für Tag 2300 Zuschauer in die Laugardals-Halle, so finden sich in Brissago nur 230 Schachliebhaber ein. Hunderttausende verfolgen die Partien lieber live im Internet. Und irgendwo in Japan vermutlich auch Bobby Fischer.

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