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Sport: Der friedliche Streit

Christian Fiedler hat Gabor Kiraly aus dem Tor von Hertha verdrängt – neulich waren sie gemeinsam essen

Berlin. Ein Mini-Cooper saust vom Trainingsgelände. Herthas Torwart Gabor Kiraly sitzt hinter dem Lenkrad, was man wirklich gesehen haben muss. Kiraly ist einsneunzig groß und ziemlich breit. Der Ungar muss leicht in die Hocke gehen, um sich in das Vehikel zu zwängen. Darin hat der Ungar eine gewisse Meisterschaft entwickelt, doch dieser Tage sieht vieles, was der 27-Jährige macht und tut, nicht mehr so locker, leicht und flüssig aus. Kiraly ist nicht mehr die Nummer eins im Tor von Hertha BSC.

Dazwischengekommen ist ihm Christian Fiedler, der das Tor auch heute gegen Eintracht Frankfurt hüten wird. Ausgerechnet Fiedler, mit dem er seit Sommer 1997 ein Paar bildet, ein Paar mit klarer Rangfolge. Kiraly war die Nummer eins. Fiedler, der seit 1990 im Verein ist und mit Hertha aus der Zweiten Liga aufstieg, wurde vor sechseinhalb Jahren zum Ersatzmann zurückgestuft.

Mit Beginn der Rückrunde hat sich die Rangfolge verändert. Im Wintertrainingslager hat sich Kiraly einen Muskelfaserriss zugezogen. Fiedler, die ewige Nummer zwei, musste einspringen. Wahrscheinlich hätte Trainer Hans Meyer auch unter anderen Umständen so entschieden. Bereits unter Meyers Vorgänger Stevens hat es Überlegungen gegeben, den Torwart zu tauschen. Auch, weil es Teile der Mannschaft sich gewünscht haben. „Ich war felsenfest davon überzeugt, dass ich spielen werde, ganz egal, was mit Gabor war“, erzählt Fiedler. Dieses Selbstbewusstsein ist relativ neu. Der 28-Jährige gilt als introvertiert. Meist kann er sich ungefragt durch die Journalisten schlängeln. „Das ist mir auch lieb so“, sagt Fiedler.

Vor vier Jahren hat Fiedler eine ähnliche Situation erlebt. Damals hatte sich Kiraly am Knie verletzt. Als er wieder fit war, bekam er seinen Platz in der Stammelf zurück. Auch im Herbst 2001 gab es eine vergleichbare Situation: In der Vorrunde verletzte sich Kiraly, Fiedler hielt so gut, dass Trainer Jürgen Röber ihn auch nach der Winterpause als Nummer eins aufbot. Als Röber abgelöst wurde, stellte dessen Nachfolger Falko Götz die gewohnte Rangfolge wieder her. Doch dieses Mal könnte Kiraly seinen Platz dauerhaft verlieren. Dass Hans Meyer während der Rückrunde noch einmal tauscht und Fiedler wieder zum Ersatzmann macht, ist unwahrscheinlich.

Neulich hat Kiraly eine Extraschicht auf dem Trainingsplatz absolviert. Er musste nicht, er wollte. Der neue ungarische Nationaltrainer Lothar Matthäus hatte ihn nicht für das Länderspiel nominiert. Momentan läuft es wirklich nicht optimal für ihn. Kiraly mag seit Tagen mit keinem Journalisten reden. Wer ihn anspricht, bekommt ein Achselzucken als Antwort. Dafür redet der Trainer. „Ich finde es toll, wie der Gabor arbeitet“, sagt Meyer und reibt sich dabei die Hände. „Sie stacheln sich gegenseitig an.“ Meyer hat Fiedler nicht offiziell zur Nummer eins im Tor gemacht. „Für mich ist das nicht so wichtig, wie vielleicht für Gabor oder Jens Lehmann. Diese Eitelkeiten können wir uns hier nicht leisten.“

Kiraly setzt alles daran, seinen Stammplatz zurückzuerkämpfen. Dass er sich vor wenigen Tagen einen Kapselanriss im Daumengrundgelenk zugezogen hat, konnte ihn nicht daran hindern, so schnell wie möglich wieder mit der Mannschaft zu trainieren. Mannschaftsarzt Schleicher traute seinen Ohren nicht, als er vom Eifer Kiralys hörte. Der Arzt hatte ihm eine mehrtägige Pause empfohlen.

Einen öffentlich ausgetragenen Streit um den Platz zwischen den Pfosten wie in der Nationalmannschaft zwischen Oliver Kahn und Jens Lehmann gibt es bei Hertha nicht, erzählt Fiedler. Auf dem Trainingsplatz gehen beide Torhüter respektvoll miteinander um. Es wird gescherzt und gehechtet, gelacht und geschwitzt. Neulich haben sie sich zusammen mit den Torwarttrainern zum Essen getroffen. Privater aber ist es nie geworden zwischen den beiden. „In den letzten Jahren habe ich viel investiert, und ich wusste, dass es einmal belohnt wird. Jetzt will ich meinen Teil dazu beitragen, dass wir nicht absteigen“, sagt Fiedler und steigt in seinen Geländewagen. Er bildet eine Fahrgemeinschaft mit Pal Dardai, Kiralys Landsmann.

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