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Sport: Der goldene Abend der fabelhaften Fünf

US-Fußballerinnen besiegen Brasilien im Finale

Jeder Mensch hat seine eigenen Vorstellungen vom letzten Arbeitstag. Wie das ist, wenn der Chef kommt und die Kollegen einen Kreis bilden, wie die Dankesrede wohl ausfällt, und wie lange einer das aushält, bis er den Kloß im Hals spürt. Und so warteten die Zuschauer im Karaiskaki-Stadion von Piräus und alle anderen in der Welt, die mit der Geschichte des Frauen-Fußballs vertraut sind, auf den historischen Moment: Wie die fünf Pioniere mit den Goldmedaillen um den Hals unter den Klängen der Nationalhymne von den eigenen Emotionen und dem Pathos der Vereinigten Staaten von Amerika überfallen werden würden.

Das Ganze hatte nichts mit voyeuristischen Neigungen zu tun, eher mit dem Respekt vor Mia Hamm, Joy Fawcett, Julie Foudie, Kristine Lilly und Brandi Chastain. Doch dann standen die „Fab Five“ (die fabelhaften Fünf) – unter diesem Schlagwort lief das letzte Kapitel der amerikanischen Heldensage in „USA today“ – ihren großen Augenblick ganz anders durch. Ohne eine einzige Träne. Keine presste die Hand ans Herz. Gerade hatten die Amerikanerinnen das olympische Finale gegen Brasilien mit 2:1 nach Verlängerung gewonnen. Alle lachten, und die Nationalhymne sangen sie wie ein Geburtstagsständchen.

Es reicht, wenn die Nachrufe auf die „Göttliche“ Mia Hamm, auf Captain Julie Foudy und „soccer mom“ Joy Fawcett noch ein Wochenende lang in den amerikanischen Zeitungen stehen. Brandi Chastain will sich noch mindestens 16- mal die blau-rote Uniform anziehen, dann hätte sie 200 Einsätze für die USA absolviert. Kristine Lilly ist mit 280 internationalen Berufungen bereits Weltrekordnationalspielerin, aber weil sie nie etwas anderes gelernt hat, wird die 33-Jährige weiter gegen ihre persönliche Rekordmarke anspielen.

Ist mit dem Abschied der drei Idole nun „eine Epoche zu Ende gegangen“, wie Sepp Blatter, der Präsident des Weltfußballverbandes, glaubt? Nicht unbedingt. Auch die Nachrücker in der Auswahl des ersten Weltmeisters und ersten Olympiasiegers (1996, Atlanta) verfügen über jene Merkmale, die die Prototypen aller Fußball-Profis ausgezeichnet haben. Als das Führungstor für Brasilien nur noch eine Frage von ein oder zwei Angriffen zu sein schien, zog Lindsay Tarpley plötzlich aus 25 Metern ab. Ein Schuss wie ein Strich, halbhoch, direkt neben dem Pfosten. Brasilien schaffte durch Pretinha zwar noch den Ausgleich, doch in der Verlängerung übersprang Abby Wambach bei einem Eckball alle und köpfte zum Siegtor ein.

Es war eine sonderbare Atmosphäre, in welcher sich der Frauenfußball selbst feierte. Kaum einer der 700 Zuschauer verließ das Stadion nach dem Schlusspfiff. Man versammelte sich zur Siegerehrung auf der Haupttribüne, neben den Endspielteilnehmern auch die Deutschen und die Schwedinnen, die zuvor um Platz drei gegeneinander gespielt hatten. Nach Mitternacht machte es auch den deutschen Weltmeisterinnen nicht mehr viel aus, dass ihre Medaillen nach dem 1:0 über Schweden aus Bronze waren.

Martin Hägele[Piräus]

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