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Sport: Der heilende Geist von Hennef

Der neue Kölner Trainer Marcel Koller fährt lieber ins Trainigslager, als Karneval zu feiern

Bochum. Die ersten Arbeitstage im Rheinland hatten Marcel Koller prächtig gefallen. „Wir haben eine sehr gute Woche gehabt“, sagte der neue Trainer des 1. FC Köln. Das Ende der Woche war dafür umso grauenhafter für den Schweizer. Beim 0:4 im Ruhrstadion gegen eine durchschnittliche Mannschaft des VfL Bochum bekam Koller einen Eindruck davon, was er sich aufgeladen hat. Am frühen Abend trug er eine lange Mängelliste vor, verbunden mit der Bitte um Geduld. Der Mann traut sich was. In Köln ist Geduld ein noch knappes Gut. Die Fans und sogar die Spieler hatten erwartet, Koller werde schon zum Einstand wie durch Handauflegen zum Erfolg kommen. Die Boulevardzeitungen hatte den eilbedürftigen Auftrag sogar in Schwyzerdütsch erteilt. „Mäse, hol d’ Pünktli.“ Marcel, hol die Punkte. Die Spieler aber haben den Auftrag vermasselt. Keine Kondition, keine Kopfballstärke, kein Spielaufbau: Dieser Auszug aus Kollers Fehlermeldung gibt Aufschluss darüber, warum „nach einer Woche noch nicht alles klappen kann“.

So musste der Schweizer ohne Punkte nach Hause fahren; nicht einmal pünktlich Feierabend machen konnte er. Als der Trainer das Medienzentrum verließ, versperrten etwa hundert FC-Anhänger die Ausfahrt und forderten eine Aussprache mit den Profis, die sich in Bochum blamiert hatten. Schließlich kletterten Dirk Lottner, Thomas Springer, Stefan Wessels und Thomas Cichon aus dem Bus. Die vier Aufrechten mussten sich einiges anhören: von resignierenden Bemerkungen („Wir gehen wieder in die Zweite Liga“) bis zu den in solcher Lage üblichen Parolen („Wir sind Kölner und ihr nicht“).

Die Eigenschaft, Kölner zu sein, wird vor allem Manager Andreas Rettig abgesprochen. „Einmal Pille, immer Pille“, schimpft das Volk mit Blick auf Rettigs Lehrjahre beim Nachbarklub Bayer Leverkusen, der in Köln verhasst ist. Die jüngste Vorstellung hat offenbar auch Rettig die Augen geöffnet, zumal der Trainer ein wenig nachgeholfen hat. „Ohne Neue geht es nicht. Ich werde Gespräche führen“, sagt Koller. Und Rettig deutet an, dass die zuletzt besonders schwache Abwehr in der Winterpause mit neuem Personal stabilisiert werden könnte.

Um die derzeit verfügbaren Kräfte in Schwung zu bringen, hat Koller in den Kölner Wirren eine erste revolutionäre Maßnahme ergriffen. Am Elften im Elften wird die Mannschaft ein fünftägiges Trainingslager in der Sportschule Hennef antreten. Statt die neue Session mit kölschem Brauchtum zu begrüßen, werden die Spieler sich Laktat- und anderen Tests unterziehen – und viel arbeiten, nicht zuletzt an ihrer Kondition. Die Spieler müssten den inneren Schweinehund überwinden, sagt Koller. Also auf nach Hennef.

Die Hausordnung dieser Einrichtung klingt ganz und gar nicht nach Karneval. „Das Mitbringen von Getränken aller Art ist ausdrücklich nicht gestattet“, das Rauchen selbstverständlich verboten. Immerhin hat die hauseigene Kegelbahn bis 23 Uhr geöffnet. Statt zur närrischen Hitparade zu schunkeln, sollen die Kölner Profis den „Geist von Hennef“ auf sich wirken lassen, der angeblich schon anderen Mannschaften Kraft gegeben hat. An den Feiertag dürfte die Spieler nur noch der Mannschaftsbus mit dem amtlichen Kennzeichen „K-FC 1111“ erinnern. Der Bus konnte Bochum übrigens doch noch verlassen. Ein Oberfan befahl: „Lasst die Mannschaft abfahren.“ Und die frierenden Anhänger gaben den Weg frei – eineinhalb Stunden nach Spielschluss. Aber was ist so eine Verspätung schon im Vergleich zu dem Langstreckenlauf, den die Kölner vor sich haben.

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