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Sport: Der Heißmacher

Portugals Cristiano Ronaldo spaltet das Publikum: Ist sein Spiel Offenbarung oder eitles Schaulaufen?

Am Samstagabend war die Welt von Cristiano Ronaldo noch in Ordnung. Portugal hatte gerade das WM-Halbfinale erreicht, durch einen Sieg nach Elfmeterschießen über England, und er, das Dribbelwunder von Madeira, hatte den entscheidenden Treffer gesetzt. Portugal steht im Halbfinale, heute soll gegen Frankreich der nächste Coup folgen. Er ahnt noch nichts von den Schlagzeilen, die bald in den englischen Boulevardzeitungen erscheinen werden, von den Storys, die aus dem Matchwinner Ronaldo den Verräter Ronaldo machen. In den Katakomben der Arena Auf Schalke feiern die Portugiesen noch lange: Schließlich haben sie erstmals seit 1966 wieder ein WM-Halbfinale erreicht. Damals hieß der Held Eusebio, und er kommt als erster Gratulant in die Kabine zu Cristiano Ronaldo.

Das war am Samstag, nach dem Viertelfinale gegen England und vor der Präsidentenwahl bei Real Madrid. Ronaldo hat gehofft, Juan Miguel Villar Mir werde sie gewinnen, der frühere Wirtschaftsminister Spaniens, er hatte den Mitgliedern die Verpflichtung von Cristiano Ronaldo versprochen. Das war wohl kein besonders attraktives Geschenk, die Madridistas wollten jedenfalls nichts wissen von Villar Mir und wählten Ramon Calderon, der wiederum nichts wissen will von Cristiano Ronaldo, den sie auch in Spanien abwechselnd als fußballerische Offenbarung oder eitlen Selbstdarsteller sehen.

Was wird nun werden aus dem 21-jährigen Portugiesen, der nie ein Geheimnis daraus gemacht hat, dass er vor allem des Geldes wegen nach England gegangen ist? Er hat ein bisschen zu laut und zu öffentlich verkündet, wie gern er nach Madrid wechseln wollte. Sein Vertrag in Manchester läuft noch bis 2010. Trainer Alex Ferguson mag ihn nicht gehen lassen, er hat sich in den Fußballspieler Cristiano verliebt, als er ihn zum ersten Mal spielen sah, vor drei Jahren in einem Testspiel gegen Manchester United. Ronaldo hat sie alle verzaubert mit seinen Übersteigern und Tempo-Dribblings. Am nächsten Tag erhielt Ronaldos Klub Sporting Lissabon ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte. Für 17,5 Millionen Euro wechselte der 17-Jährige nach Manchester.

Ferguson ist es nicht leicht gefallen, dieses Investment zu rechtfertigen. Und er wird es noch schwerer haben, den launischen Portugiesen zur neuen Saison wieder ins Team zu integrieren. Da ist der Flirt mit Real Madrid und, schlimmer noch, die Sache mit Wayne Rooney, seinem Kollegen bei Manchester United. Der bullige Stürmer flog am Samstag beim Viertelfinal-K.o. gegen Portugal wegen eines Trittes in den Unterleib von Ricardo Carvalho vom Platz. Rooney hatte seiner Mannschaft durch eine Dummheit großen Schaden zugefügt, eigentlich war er damit reif für eine Hetzkampagne, wie sie David Beckham nach einer ähnlichen Attacke bei der WM 1998 zu erleiden hatte. Doch die englischen Boulevardblätter ließen Rooney weitgehend in Ruhe und spielten lieber eine andere Geschichte: die vom Petzer Ronaldo, der seinen Arbeitskollegen beim Schiedsrichter angeschwärzt habe.

Auf Fernsehbildern ist zu sehen, wie Ronaldo nach Rooneys Tritt die Arme hebt und auf Schiedsrichter Horacio Elizondo einredet. Das hätte wahrscheinlich auch jeder Engländer in einem vergleichbaren Fall gemacht, doch im Falle Ronaldo wurde daraus schnell die Story vom großen Verrat gebastelt. Der Portugiese sei dabei gesehen worden, wie er Anweisungen von der Bank erhalten habe. Der „Daily Mirror“ dreht die Geschichte so weit, dass Ronaldo zum Schiedsrichter gesprintet sei, diesen auf Rooneys Foul aufmerksam gemacht und die Rote Karte verlangt habe. Der Schiedsrichter aber stand noch näher als Ronaldo am Tatort und hatte beste Einsicht. Er pfiff sofort, schickte alle anderen Spieler zur Seite und zeigte Rooney sofort Rot. Elizondo hat längst zu Protokoll gegeben, Ronaldos Protest habe keinen Einfluss auf seine Entscheidung ausgeübt – „es war eine Tätlichkeit von Rooney, und dafür musste er vom Platz“, sagte er der „Times“.

Das alles wird Cristiano Ronaldo ebenso wenig helfen wie seine Rechtfertigung, er habe nur das Foul reklamiert, nie im Leben aber einen Platzverweis für Rooney gefordert. Zu einseitig hat sich die Front der Kritiker formiert. Stellvertretend sagt der Liverpooler Steven Gerrard: „Ich hätte nie eine Rote Karte gegen meinen Klubkollegen gefordert, aber so ein Typ ist Ronaldo nun mal.“ Die Engländer können nichts anfangen mit einem wie Ronaldo. Sein Stil gilt als affektiert, er ist das genaue Gegenteil etwa von dem eher bodenständigen Rooney. Nach drei Jahren in Manchester spricht er immer noch kaum ein Wort Englisch, er lebt abseits der Teamkollegen im Kreise der Familie und schaut über Satellit ausschließlich portugiesisches Fernsehen. Seine Freundin ist eine portugiesische Fernsehmoderatorin. Cristiano Ronaldo hat sich in Manchester sein virtuelles Portugal errichtet.

Mit Wayne Rooney ist er nie besonders gut ausgekommen. Das geht zurück auf den zweiten Weihnachtsfeiertag, den sie in England Boxing Day nennen. Rooney, damals für Everton aktiv, nahm das am 26. Dezember 2003 ein wenig zu wörtlich und grätschte den schmächtigen Portugiesen mit voller Wucht und Absicht um.

An diesem Wochenende nun hat Englands einstiger Torjäger Alan Shearer Rooney in der ersten Aufregung zu einem Dacapo aufgefordert, und zwar beim Training in Manchester, das habe Ronaldo sich verdient. Angeblich war Rooney schon am Samstagabend drauf und dran, dem verhassten Kollegen eine Abreibung zu verpassen. Es heißt, der Engländer sei nur mit einiger Mühe davon abgebracht worden, nach dem Spiel die portugiesische Kabine zu stürmen.

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