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Sport: Der Held von Bern

Zur Filmpremiere: Eine Hommage an Helmut Rahn

Heute hat in der Essener Lichtburg das „Wunder von Bern“ Premiere, der Film zum ersten WM-Sieg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft 1954 in der Schweiz. Held des Films ist Helmut Rahn, der am 13. August verstorbene Schütze des deutschen Siegtores. Produzent Hanno Huth erinnert sich.

Natürlich wusste ich, wer der Boss war in Essen. Helmut, der Held von Bern. Rahn, der schießen musste in der 84. Minute im Wankdorfstadion, und der schoss, und zwar das wichtigste Tor in der Geschichte des deutschen Fußballs. Das 3:2 gegen die vermeintlich unschlagbaren Ungarn an jenem Sonntag im Juli 1954, drei Tage vor meinem ersten Geburtstag. Allerdings habe ich Helmut Rahn niemals live spielen sehen.

Als ich ab Mitte der Sechziger zu den Spielen von Rot-Weiß Essen ging, hießen die Helden schon anders. Zunächst Willi Lippens, der watschelnde Holländer, den alle nur „Ente“ nannten, und der, soweit ich weiß, heute ein Landgasthaus zwischen dem Ruhrgebiet und Westfalen betreibt, in dem man die alten Geschichten noch hören kann. Dann Manni Burgsmüller und Horst Hrubesch. Als Trio waren sie schließlich der Super-Sturm der frühen Siebziger.

Die Auftritte von Helmut Rahn in meiner Kindheit und Jugend waren ganz privat. Wenn seine Frau Gerti „nach dem Turnverein“ auf ein Likörchen bei meiner Mutter vorbeikam, wurde sie von ihrem Mann abgeholt. So lernte ich Helmut Rahn nicht auf dem Platz, sondern im heimischen Wohnzimmer kennen, buchstäblich als den Mann von nebenan. Nebenan waren auch die Kneipen, in denen er immer wieder das Tor erzählte.

Helmut Rahn war einer von drei genialen Menschen, die ich in meiner Essener Zeit kennen lernen durfte. Dem unnachahmlichen Stürmer folgte der unnachahmliche Maler Martin Kippenberger, einer meiner besten Freunde bis zu seinem viel zu frühen Tod vor sechs Jahren; dem unnachahmlichen Maler folgte der immer wieder nachgeahmte, aber niemals erreichte Musiker und Komödiant Helge Schneider. Mit Helge machte ich später Filme. Filme, von denen ich erst heute weiß, dass sie Heimatfilme waren. Und sind. Denn wir haben gerade wieder einen Film zusammen gemacht. Auch in Berlin, der Heimatstadt meiner Mutter, die mittlerweile auch zu meinem Lebensmittelpunkt geworden ist, habe ich – zunächst von mir selber unbemerkt - angefangen, Heimatfilme zu produzieren. Die „Comedian Harmonists“ zum Beispiel. Oder „Aimée und Jaguar“, eine der ungewöhnlichsten und berührendsten Liebesgeschichten des letzten Jahrhunderts.

Als Sönke Wortmann mit seiner Idee vor vier Jahren zu mir kam, war das Tor für ihn sofort weit offen. Mit dem „Wunder von Bern“ bin ich nach Essen zurückgekehrt. Der Film spielt in der Stadt Helmut Rahns und in dem Milieu, in dem er groß war, während ich dort zu wachsen anfing. Der Film über das Ereignis, an das man sich sogar zu erinnern glaubt, obwohl man zu dieser Zeit noch gar nicht auf der Welt war, der Film über ein sportliches Wunder, dem ein wirtschaftliches folgte (wie auch immer das zusammenhängen mag) – dieser Film erzählt nicht nur eine Geschichte aus Essen. Dieser Film hat heute in Essen seine Premiere, weil wir hofften, Helmut Rahn als unseren Ehrengast dabei zu haben. Doch der Boss wird nie mehr antreten, zwei Monate vor Start des Films ist er gestorben. Wir feiern die Premiere in der Essener Lichtburg, weil es das schönste und größte Kino Deutschlands ist – und weil Helmut Rahn es von oben aus gesehen dann auch nicht so weit zu uns hat.

Hanno Huth ist Chef der Senator-Film, die das „Wunder von Berlin“ produziert hat.

Hanno Huth

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