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Sport: Der Karrieresprung

In Athen durfte Meredith Michaels-Beerbaum nicht starten – nun holt sie mit dem Wallach Shutterfly beim CHIO den Großen Preis der Springreiter

Ehrenrunde um Ehrenrunde muss Meredith Michaels-Beerbaum im Aachener Reitstadion drehen, die 52 000 Zuschauer applaudieren ihr stehend. Sie winkt, sie strahlt – sie wirkt wie in Trance. „Es ist ein unglaublicher Traum für jeden Reiter, hier zu gewinnen“, sagt die 35-Jährige später, als sie von ihrem Wallach Shutterfly gestiegen ist. „Wirklich unglaublich.“ Zum ersten Mal in ihrer Karriere hat Michaels-Beerbaum beim CHIO den Großen Preis der Springreiter gewonnen. Im fehlerfreien Stechen war sie eine halbe Sekunde schneller als Dirk Demeersman aus Belgien mit Clinton, Rang drei ging an dessen Landsmann Jos Lansink mit Cavalor Cumano.

Michaels-Beerbaums Sieg ist gleich in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Die gebürtige Kalifornierin ist erst die dritte Frau in der Geschichte, die das wichtigste Springen beim CHIO in Aachen gewonnen hat, gleichzeitig ist es ein sehr persönlicher Erfolg für die Reiterin. Hatte sie doch im vergangenen Jahr in Aachen, den, wie sie sagt, „schlimmsten Tag ihrer Karriere“ erlebt. Im Nationenpreis gelang ihr damals mit Shutterfly ebenfalls eine fantastische Leistung, sie legte sogar die Grundlage für den Sieg der deutschen Equipe. Die Qualifikation für die Olympischen Spiele schien ihr sicher. Doch dann wurde noch während des CHIO publik, dass Shutterfly zuvor beim Weltcup-Finale in Mailand positiv auf ein Beruhigungsmittel getestet worden war. In Athen durfte Michaels-Beerbaum daraufhin nicht starten. Gesperrt wurde die Reiterin jedoch nicht: Im April 2005 stellte der Weltverband die Ermittlungen wegen eines Verfahrensfehlers ein.

„Diese Erfahrungen haben mich noch stärker gemacht“, sagt Michaels-Beerbaum. Ihren Sieg widmet sie dem Aachener Publikum. „Die Zuschauer haben mich auch schon im letzten Jahr wunderbar unterstützt, das habe ich nicht vergessen. Sie haben mich dazu gebracht, mein allerbestes zu geben. Wir Reiter brauchen mehr Stadien wie in Aachen.“

Rang sieben im Großen Preis belegte als zweitbester deutscher Springreiter Michaels-Beerbaums Ehemann Markus Beerbaum mit Le Mans. Die Mehrheit der deutschen Springreiter hatten jedoch schon im ersten Umlauf geplatzt – so auch Ludger Beerbaum, Aachen-Sieger von 2002 und 2003, der sich im Sattel des neunjährigen Wallachs L’Espoir mit Rang 15 begnügen musste. „Man muss die Kirche im Dorf lassen“, fand der 41-Jährige. „Man darf nicht vergessen, dass L’Espoir noch sehr jung ist.“ Er bereite das Pferd auf die Weltmeisterschaft 2006 vor, sagte Markus Beerbaum.

Vorbereitung hin oder her: Abgesehen von Michaels-Beerbaums Sieg waren die Leistungen der deutschen Springreiter in Aachen in diesem Jahr ungewohnt schwach. In keiner der wichtigen Prüfungen hatte es vor dem Schlusstag zu einem Erfolg gereicht. Unzufrieden musste vor allem Europameister Marco Kutscher sein. Auf seinem Erfolgspferd Montender schied er im Großen Preis nach zwei Abwürfen bereits in der ersten Runde aus, im Nationenpreis hatte er mit 20 Strafpunkten das Streichergebnis der siebtplatzierten deutschen Equipe geliefert. „Keine Ahnung, was los ist“, sagte Bundestrainer Kurt Gravemeier. „Zu Beginn der Woche ging er noch einwandfrei.“

Derlei Probleme hatte Meredith Michaels-Beerbaum gestern nicht. Sie war nicht nur glücklich, sondern auch optimistisch was ihre Zukunft betrifft. „Wenn meine Pferde gesund bleiben“, sagte Michaels-Beerbaum, „dann habe auch bei der WM gute Chancen auf einen vorderen Platz.“ Die Welttitelkämpfe finden 2006 in Aachen statt, vor ihrem Lieblingspublikum.

Christiane Mitatselis[Aachen]

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