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Sport: Der König der Absagen

Thomas Ulrich sollte Deutschlands neuer Henry Maske werden, doch im Ring ist der Boxer selten zu sehen. Jetzt muss er wegen einer Erkältung passen

Berlin - Der Berliner Bär ist tot. Erlegt wurde er still und heimlich. An einem Schreibtisch! Entweder in Hamburg bei der Universum Box-Promotion, oder aber in Mainz beim ZDF, dem TV-Partner des Boxstalls. Doch sie alle werden nicht verhindern können, dass jetzt mal wieder die Rede ist vom sensiblen Bären, der Reißaus nimmt vor einem Gegner. Thomas Ulrich, einst bekannt unter dem Kampfnamen „Berliner Bär“, tritt mal wieder nicht zu einem Kampf an, zum fünften Mal in seiner Karriere. Am Samstag sollte der 29-Jährige in der Magdeburger Bördelandhalle seinen Europameistertitel gegen den Briten Matthew Barney verteidigen. Doch Thomas Ulrich ist unpässlich, schwere Erkältung, keine Chance. „Die Gesundheit geht vor“, sagte Jean-Marcel Nartz, Universums Matchmaker. Herausforderer Barney fand andere Worte: „Kein Kampf, kein Geld“, fluchte der Engländer. „Ich bin verdammt sauer.“ Schon einmal, im vergangenen Oktober, hatte Ulrich einen Kampf gegen ihn abgesagt.

In den vergangenen drei Jahren war Thomas Ulrich nur sechsmal im Boxring zu sehen. Das ist wenig für einen, der erst noch Weltmeister werden will. In seinen ersten Profijahren boxte Ulrich viel, von 1997 bis 1998 14-mal. Er gewann immer. Das war die Zeit, als Ulrich als das größte deutsche Boxtalent gehandelt wurde. In den vergangenen Jahren sagte Thomas Ulrich viele Kämpfe ab. Mal konnte sein Gegner keinen gültigen Aidstest vorlegen, mal spielte Ulrichs Magen nicht mit, dann war es der Kreislauf oder ein Backenzahn. „Da war nie etwas krumm“, sagt sein Trainer Torsten Schmitz. „Wenn er krank war, war er immer krank.“

Sauer waren Ulrichs Management und das ZDF besonders im Sommer 2003. Thomas Ulrich hatte gerade den früheren Weltmeister Graciano Rocchigiani geschlagen und in Rente geschickt. Sieben Millionen Menschen saßen damals vor den Fernsehschirmen. Das war eine Aufmerksamkeit, wie sie seit Henry Maske und Ottke kein deutscher Boxer mehr hatte. Ulrich standen alle Türen offen. Er hätte nur in die Kameras lächeln und ein paar nette Sätze zu sagen brauchen. Und was machte Ulrich? Er packte seine Boxhandschuhe ein und verschwand.

Öffentliche Auftritte vor der Kamera mag Ulrich nun überhaupt nicht. Dabei kann er sich sehen lassen. Thomas Ulrich aus Spandau ist „ein Boxer mit einem Filmgesicht“, schwärmte Wolf-Dieter Poschmann, bis vor kurzem Sportchef des ZDF, das seit Sommer 2002 Thomas Ulrich als Hauptkämpfer verkauft. Thomas Ulrich kann umwerfend lächeln, und auch seine Fäuste können umwerfend, ja geradezu umhauend sein. 19 seiner 28 Profikämpfe gewann er durch Knockout. Und – Ulrich ist deutscher Abstammung. Ideal also für das Fernsehen – der Berliner Junge mit Manieren und ordentlich Bumms in den Fäusten – aber sonst? Ulrich ist ein scheuer Mensch. Selbst seinen Boxerkollegen geht er gern aus dem Weg. Es kommt vor, dass er nachts allein ins Gym geht und für sich trainiert.

Das ZDF hatte sich viel versprochen von dem Boxer Thomas Ulrich. Alle haben sich mehr versprochen. Promotor, Trainer, Freunde, Fans. Aber mit ihm gesprochen haben die wenigsten. „Es ist schwer an ihn ranzukommen“, sagt Trainer Schmitz. „Er hat eine hohe Schutzmauer um sich gezogen.“

Diese Mauer wollte Universum vor zwei Jahren einreißen. Thomas Ulrich, der seit seinem Einstieg bei Universum 1996 in der Berliner Dependance des Hamburger Boxstalls trainiert, wurde in die Zentrale beordert. Fritz Sdunek, der schon viele Boxer zu Weltmeistern machte, sollte den als schwierig geltenden Mann zurechtbiegen. Das ging eine Zeit lang gut. Thomas Ulrich wurde Europameister und alles deutete auf einen inneren Wandel hin. Bis Ulrich im vergangenen Oktober den ersten EM-Kampf gegen Matthew Barney absagte. Da Ulrich Star der Veranstaltung war, mussten Universum Promotion und das ZDF den kompletten Kampfabend in Braunschweig absagen.

So weit wird es diesmal nicht kommen, denn das ZDF war auf Nummer sicher gegangen. Den Hauptkampf, den am Samstag der Sender live übertragen wird, bestreitet nicht Thomas Ulrich, sondern Regina Halmich. Die ist Weltmeisterin und hat seit April 1995 keinen Kampf mehr verloren.

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