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Sport: Der lange Sieg

Alexander Popp schlägt Olivier Rochus und trifft im Viertelfinale auf Agassi-Bezwinger Mark Philippoussis

London. Helmut Lüthy wollte weg von Court 14. Ein Journalist, der ihn aufhielt, stellte ihm ein paar Fragen, doch der Trainer von Alexander Popp hörte gar nicht hin. „Ist das schön, ist das schön", sagte er und nahm den Fragenden in den Arm, obwohl er ihn gerade zum ersten Mal sah. „Mit dem müssen Sie reden", sagte der 64-Jährige und zeigte auf den deutschen Tennisspieler, der gerade einem asiatischen Fan ein Autogramm gab. Dann eilte Lüthy von dannen. So benimmt sich ein glücklicher Mensch.

Nur wenige Minuten zuvor hatte sein Schützling den zweiten Matchball gegen den Belgier Olivier Rochus zum 5:7, 6:3, 6:4, 6:2 verwandelt. Nun steht der 26-Jährige zum zweiten Mal in seiner Karriere im Viertelfinale von Wimbledon. „Das ist schon etwas Besonderes", sagte Alexander Popp, „ich habe gezeigt, dass das erste Mal kein Zufall war." Allerdings könnte das Glück für Popp und seinen Trainer Lüthy am Mittwoch ein Ende haben, denn nun muss er sich des Aufschlagwunders Mark Philippoussis erwehren. „Ich habe noch nicht gegen ihn gespielt", sagte Popp, „aber es ist schon klar, dass er ein sehr guter Spieler ist." Mit 46 Assen prügelte der Australier am Montagabend überraschend den US-amerikanischen Publikumsliebling Andre Agassi aus dem Turnier: 6:3, 2:6, 6:7, 6:3, 6:4. Das gleiche Schicksal ereilte auch Rainer Schüttler, der gegen den starken Niederländer Sjeng Schalken 5:7, 4:6, 5:7 verlor. Eine Oberschenkelverletzung behinderte den Deutschen. „Ich weiß nicht, wie das Spiel geworden wäre, wenn ich die Verletzung nicht gehabt hätte", sagte Schüttler.

Weil Schüttler und Popp am Nachmittag gleichzeitig spielten, hatte der deutsche Daviscup-Teamchef Patrick Kühnen zwischenzeitlich das Problem, welchem Deutschen er zusieht. „Zwei Spieler im Achtelfinale, das ist sehr erfreulich", sagte er, „es muss unser Ziel sein, dass das zur Regel wird." Der Daviscup-Teamchef entschied sich für das Match von Rainer Schüttler – und traf die falsche Wahl. Zu überlegen spielte dessen Gegner. Bei Alexander Popp hatte Kühnen nur den ersten Satz gesehen, den dieser 5:7 verlor.

Popp hatte zu Beginn mit sich selber gehadert. „Ich wusste, als ich aufstand, dass es Scheiße wird", rief er auf dem Rasen. Später erklärte er: „Ich habe mich heute morgen müde gefühlt.“ Rettung nahte schließlich in Gestalt von dicken Regenwolken, die das Spiel für 78 Minuten unterbrachen. „Ich habe mich selbst motiviert, habe mir gesagt, dass ich keinen Ball verloren geben werde." Popp aß einen Sandwich, duschte und wartete darauf, dass es weiter geht. „Du musst tiefer in die Knie gehen", gab ihm sein Trainer noch mit auf den Weg. Als er wieder auf dem Platz stand, war es plötzlich ein anderes Match.

Der 2,01 Meter große Mannheimer dominierte plötzlich gegen den 36 Zentimeter kleineren Belgier. „Ich habe in den ersten Spielen gemerkt, dass ich das Match in den Griff kriege." In den nächsten drei Sätzen bestrafte er den kleinen Belgier für den frechen Spruch, den dieser zuvor gesagt hatte. „Ich spiele gerne gegen lange Gegner, die können tiefer fallen." Doch Popp blieb stehen, schaffte zwei Breaks im vierten Satz und beendete das Match nach zwei Stunden und 22 Minuten. Es war ein langer Sieg.

Nun ist er also wieder da, wo er vor drei Jahren war: Im Viertelfinale. Doch die Zeit dazwischen war hart. Erst zwang ihn das Pfeiffersche Drüsenfieber zu einer langen Pause, und als er sich 2002 allmählich zu erholen begann, brach er sich bei den US Open das Handgelenk. Mit dem Deutschen Tennisbund (DTB), so sagt Popp, hätte es in jener Leidenszeit keinen Kontakt gegeben. Ohnehin hat der 26-Jährige nie die Förderung des DTB genossen. Und jetzt ist er erneut der beste Deutsche im Turnier. Kühnen versucht immerhin den Eindruck abzuschwächen, dass der DTB sich nicht um Popp kümmere. „Ich habe mit seinem Trainer immer wieder mal Kontakt gehabt", erklärt Kühnen, „er war ja lange Zeit mein Trainer."

Erst seit Mai bestreitet Popp wieder Tennismatches. Ein Punkt, der ihn nun auch nachdenklich stimmt. „Ich bin nicht sicher, ob der Zeitpunkt dieses Erfolges gut für mich ist", sagte Popp, „nun werden die Erwartungen an mich viel höher." Es ist noch nicht lange her, da hat noch niemand etwas von ihm erwartet. Am wenigsten er selber. Popp wollte sogar seine Tenniskarriere beenden, doch Helmut Lüthy überzeugte ihn. Nun gehört sein Spieler zu den besten acht Rasenspielern der Welt. Es gibt schlechtere Gründe, glücklich zu sein.

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