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Sport: Der lesende Fußballer Gladbachs Thomas Broich ist Literatur-Fan

Berlin - Schriftsteller können Fußball spielen. Das hat eine deutsche Auswahlmannschaft um Moritz Rinke und Thomas Brussig Anfang Oktober in Italien bewiesen, wo sie bei der ersten „Weltmeisterschaft der Autoren“ den zweiten Platz belegte.

Berlin - Schriftsteller können Fußball spielen. Das hat eine deutsche Auswahlmannschaft um Moritz Rinke und Thomas Brussig Anfang Oktober in Italien bewiesen, wo sie bei der ersten „Weltmeisterschaft der Autoren“ den zweiten Platz belegte. Auf der Frankfurter Buchmesse, auf der es einen Schwerpunkt zu Fußballliteratur gibt, spielt heute eine Mannschaft deutscher Schriftsteller gegen eine Auswahl ihrer koreanischen Kollegen.

250 Fußballbücher wurden auf der Buchmesse vorgestellt. Viele Literaten kennen sich inzwischen gut mit Fußball aus. Aber haben Fußballer auch Ahnung von Literatur? Thomas Broich, 24, Fußballprofi bei Borussia Mönchengladbach, hat hierzu eine plausible These: Mittelfeldspieler könnten in der Regel besser lesen als Abwehrspieler, und Trainer könnten es besonders gut. Denn je besser der Überblick über das Spielfeld sei, sagt Broich, desto besser sei die Lesefähigkeit. So antwortet Broich, wenn man ihn fragt, ob Fußballer wirklich „das Spiel lesen“ könnten, wie eine gebräuchlich gewordene Fußballfloskel behauptet. „Die Floskel finde ich gar nicht so schlimm“, sagt Broich. „Ein Spiel zu lesen, ist eine sehr effektive Möglichkeit, um in der Halbzeit auf Missstände zu reagieren, die durch eine Besonderheit im System des Gegners zustande kommt.“

Er selbst liest aber auch privat gerne. Zum Beispiel Dostojewski. Daher hat er ein für Fußballprofis außergewöhnliches Image. Er gilt als „der intellektuelle Fußballer“. Der Letzte, derdieses Image hatte, war Yves Eigenrauch von Schalke 04. Eigenrauch trug eine schlaue Brille und zeichnete sich durch die exzessive Anwendung von Fremdwörtern aus. Er war gerne „der Intellektuelle“. Broich dagegen hat ein Problem damit. Über sein Hobby, das Lesen, gibt er zwar gerne Auskunft. „Natürlich lese ich wahnsinnig gern und viel“, sagt er. „Warum soll ich das leugnen? Es stimmt ja.“ Was ihm aber nicht gefällt daran, dass sich das herumspricht, ist, dass er erstens oft darauf reduziert wird und zweitens seine Kollegen dadurch oft zwischen den Zeilen als geringfügig denkbegabt dargestellt werden. „Etwas so Besonderes ist es nicht, dass Fußballer lesen“, sagt Broich. „Ich bin bei weitem nicht der Einzige in der Bundesliga.“ Die Erwiderung, er sei weitgehend der Einzige, von dem man es wisse, gefällt ihm nicht. „Das mag sein, aber es ist trotzdem falsch.“

Thomas Broichs Image hat eine Geschichte. Als er im Auto einmal Carl Orff hörte, „erzählte irgendjemand danach: Wenn du mit dem fährst, hörst du nur Mozart.“ Seitdem ist Broich „der Mozart“. Er wurde in Mönchengladbach von den Kollegen schon so begrüßt, als er aus Burghausen zur Borussia wechselte. „Und der Boulevard hat sich sofort auf diesen Mozart gestürzt“, sagt Broich.

Mozart hat zwar mit Literatur nichts zu tun, ist aber auch irgendwie schöngeistig und passt irgendwie nicht zum körperbetonten Fußball. Ob Broich Dostojewskis „Schuld und Sühne“, Hesses „Steppenwolf“, Rilkes „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“, das Fußballmagazin „Kicker“ oder einen „Fix und Foxi“-Comic liest, ist immer dann egal, wenn er gut spielt. Das tut er in letzter Zeit. Vor der EM 2004 galt er als Kandidat für das Nationalteam, schaffte es dann aber doch nicht in den Kader. Nach einer Schwächephase ist er nun in Horst Köppels Team wieder ein Leistungsträger. Als er aber zwischendurch nicht so gut spielte, hieß es manchmal, er sei halt der Mozart, ein Künstler, zu weich. Thomas Broich hat das gestört. Aber er formuliert es blumiger. Er sagt: „Ich gehe ja nicht mit einem Buch auf den Platz.“

Klaus Raab

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