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Sport: Der letzte Applaus

Fußball-Zweitligist 1. FC Union spricht Trainer Wassilew die fristlose Kündigung aus, nun droht ein Rechtsstreit

Von Karsten Doneck

Berlin. Heiner Bertram kam 20 Minuten vor dem verabredeten Termin. Gegenüber den vor der Geschäftsstelle in der Hämmerlingstraße wartenden Journalisten, ein rundes Dutzend Leute, war der Präsident des Fußball-Zweitligisten 1. FC Union kurz angebunden. „Guten Morgen, meine Herren“, sagte Bertram. Und: „Viel Spaß in der Sonne, es wird ja etwas länger dauern.“ Da irrte er. Eineinviertel Stunden später hatte er seine Mission bereits erfüllt. Bertram trat erneut vor die Presse, blickte überaus ernst und verkündete das, was niemanden mehr überraschte: „Wir haben uns mit sofortiger Wirkung von unserem Trainer getrennt.“ Überraschend war allerdings der Zusatz: „Wir haben Herrn Wassilew fristlos entlassen.“

Georgi Wassilew, Bertrams vorheriger Gespächspartner, wollte danach nur noch weg. Mit Dienst-Handy im Jackett war er reingegangen zum Präsidenten, ohne kam er wieder raus. Er hatte das Gerät sofort abgeben müssen. Ob ihm in den 20 Minuten, die er bei Bertram im Zimmer verbracht hatte, wenigstens die Gelegenheit gegeben worden sei, Argumente für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vorzutragen? Wassilew: „Ich bin nicht gefragt worden.“ Und dann demonstrierte er eine Gelassenheit, die so gar nicht zu seinem angespannten Gesichtsausdruck passen wollte. „So ist das im Fußball. Es gibt im Leben schwierigere Situationen“, sagte er. Und verschwand nach Hause.

Wassilew hatte eine ziemlich kurze Nacht hinter sich. Um 2 Uhr morgens war er in Larnaka (Zypern) abgeflogen, in Budapest umgestiegen ins Flugzeug nach Berlin-Tegel. Dort landete die Maschine kurz nach 9 Uhr, mit sieben Minuten Verspätung, Unions Betreuer Detlef Schneeweiß chauffierte Wassilew nach Köpenick. Um 10.26 Uhr, eine knappe halbe Stunde nach der verabredeten Zeit, traf Wassilew vor der Geschäftsstelle ein. Fünf Union-Fans standen da und applaudierten bei seinem Erscheinen heftigst. Von Ferne dröhnte von den Sportplätzen der Alten Försterei der normale Lärm herüber, den Fußballspiele so verursachen: Fans des 1. FC Union veranstalteten dort ein Turnier, und wer nicht gerade auf dem Platz stand, sammelte neue Kraft am Bratwurst- oder Bierstand. Per Flüsterpropaganda verbreitete sich die Kunde von dem Trainerrauswurf sehr schnell. Allgemeiner Tenor: „Tut mir ja Leid um Wassilew, war aber nicht anders zu erwarten.“ So drückte es jedenfalls ein Typ aus, dessen Fußballtrikot wie eine Wurstpelle seine üppige Figur umspannte.

Eine fristlose Entlassung braucht indes triftige Gründe, um auch vor einem Arbeitsrichter Bestand zu haben. Wassilew kündigte an, dass er sich am Montag an einen Anwalt wenden werde, da er sich als Bulgare mit den rechtlichen Bestimmungen in Deutschland nicht so auskenne. Der 1. FC Union sieht diesen Schritt seines Ex-Trainers gelassen. „Er hat Aufmerksamkeit, Fürsorge und Konzentration gegenüber der Mannschaft vernachlässigt und sie in ihrer schwersten Stunde allein gelassen. Es gibt keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit“, sagte Bertram. Dieser Vorwurf zielt darauf ab, dass Wassilew trotz der 0:7-Niederlage seiner Mannschaft am Montagabend beim 1. FC Kön einen – vom Präsidium genehmigten – dreitägigen Urlaub auf Zypern angetreten hatte und den dann, weil er der Mannschaft am Sonnabend und Sonntag trainingsfrei gegeben hatte, eigenmächtig auf fünf Tage verlängerte.

Unions Hintergedanke bei der fristlosen Kündigung ist klar. Der Klub möchte die Gehaltszahlungen bis zu Wassilews Vertragsende am 30. Juni 2003 beziehungsweise eine eventuelle Abfindung einsparen. Es soll um rund 180 000 Euro gehen. Auf einen Rechtsstreit ist Union durchaus eingestellt. „Damit rechne ich fest. Es gibt so viele Rechtsanwälte auf der Welt, die wollen ja auch alle Geld verdienen“, sagt Präsident Bertram.

Ab Montag wird Ivan Tischanski, bisher Wassilews Assistent, das Training leiten. Nur eine Übergangslösung. Bis zur Winterpause, eventuell auch früher, will Union einen neuen Mann präsentieren. Erster Kandidat ist Falko Götz, auch der beim Karlsruher SC geschasste Stefan Kuntz ist im Gespräch. Derweil beabsichtigt Wassilew, sich von seinen Spielern in Kürze persönlich zu verabschieden. Unions Präsidium indes hat das Kapitel mit dem Bulgaren bereits endgültig abgehakt. Bertram erklärt ganz kategorisch: „Wir machen keine Abschiedsfeier für ihn.“

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