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Sport: Der Lieblingsgegner muckt auf

"Ein Eishockeyspiel dauert 60 Minuten." Diesen Satz hat Sepp Herberger nie gesagt.

"Ein Eishockeyspiel dauert 60 Minuten." Diesen Satz hat Sepp Herberger nie gesagt. Dumm für die München Barons, denn der DEL-Klub hätte die Weisheit am Freitag lieber beherzigen sollen. Die Münchner schalteten aber in der dritten Partie des Play-off-Halbfinales gegen die Kölner Haie nach 28 Minuten bereits ab. Da führten sie 3:0. Und das daheim vor fast ausverkauftem Haus. Da konnte ja nichts mehr passieren. Es passierte auch nichts mehr, zumindest nicht bei den Barons. Die Haie dagegen schossen noch vier Tore, und so stand es nach 60 Minuten plötzlich 3:4. Damit kann Köln bei einem Heimsieg heute (14.30 Uhr, live auf Premiere) ins Finale gegen Mannheim einziehen. Die Mannheimer feierten am Freitag mit 2:0 (1:0, 1:0, 0:0) den dritten Sieg in Folge gegen die Kassel Huskies.

"Wir haben ein Tor weniger geschossen und deshalb verloren", analysierte Barons-Trainer Sean Simpson vergnatzt. 30 Minuten Unkonzentriertheit haben die Münchner möglicherweise um die Arbeit einer ganzen Saison gebracht. Nach der Vorrunde standen sie auf Platz eins. Und das, obwohl im Winter zeitweise die halbe Mannschaft verletzt war. Auch die Angst, Barons-Besitzer Phil Anschutz wolle das Team aus der DEL zurückziehen, war verflogen. Noch vor dem Freitagsspiel verkündete Manager Max Fedra, "zu 95 Prozent" gehe es weiter.

Doch dann kam das Desaster gegen Köln. Bislang waren die Kölner der Lieblingsgegner der Barons. In 14 von 18 Spielen gingen die Punkte an die Isar, den letzten Auswärtssieg in München erreichten die Haie am 29. Oktober - im Jahr 2000. Entsprechend gut war auch ihre Stimmung nach Spielschluss. "In der Kabine ging es zu wie beim Karneval", sagte Verteidiger Brad Schlegel: "Wer hier so ein Spiel gewinnt, kann Deutscher Meister werden."

Da ist er wieder, der Traum vom Happy End. Auf einmal sind die Haie der Favorit auf den Finaleinzug, und das nach einer Saison, die für ihre Fans einer einzigen Strafzeit gleichkam: Platz sechs in der Vorrunde, schlechter waren sie zuletzt 1981. Dazu kam der Rauswurf von Trainer Lance Nethery und die Angst bis zum letzten Spieltag, die Play-offs zu verpassen. Die Wende kam im Viertelfinale gegen Krefeld: In drei Spielen rupften die Haie die Pinguine. "Da haben wir das nötige Selbstvertrauen getankt", sagte Schlegel. Das merkte man dem Team auch in München an. Es kämpfte um jeden Zentimeter Eis und wartete geduldig auf seine Chance. Die kam sechs Minuten nach dem 0:3. Im Powerplay markierte Haie-Stürmer Corey Millen den Anschlusstreffer. Von da an waren Münchens Spieler nur noch Nervenbündel. Allen voran Torwart Boris Rousson, der vor dem 3:3 in der 47. Minute aus dem Tor irrte, einen Fehlpass produzierte und dann Toni Porkkas Schuss über den Fanghandschuh flutschen ließ. Den Rest des Drittels spielte sein Team wie gelähmt. Und voller Angst, wie schon beim ersten Viertelfinalspiel gegen Augsburg einen Drei-Tore-Vorsprung zu verspielen. Jetzt hofft Simpson auf eine Trotzreaktion, "denn wir waren immer am besten, wenn es eng wurde". Darauf setzt auch Manager Max Fedra, als er die Parole für heute vorgab: "Wir müssen kämpfen bis zum Bänderriss. Wenn wir nun den Kopf in den Sand stecken, bekommen wir einen braunen Hintern, sonst nichts."

Timm Rotter

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