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Sport: Der Mann, der aus der Steinzeit kam Handballer Schwarzer will in Athen Gold holen

Manchmal wirkt Christian Schwarzer, als sei er nicht von dieser Welt. Der Kreisläufer der deutschen Handball-Nationalmannschaft hatte sich wieder einmal völlig verausgabt bei der WM 2003 in Portugal, er war in großartiger Form gewesen und zum Spieler des Turniers gekürt worden.

Manchmal wirkt Christian Schwarzer, als sei er nicht von dieser Welt. Der Kreisläufer der deutschen Handball-Nationalmannschaft hatte sich wieder einmal völlig verausgabt bei der WM 2003 in Portugal, er war in großartiger Form gewesen und zum Spieler des Turniers gekürt worden. Nun, da das dramatische Finale gegen Kroatien dennoch verloren war, lag er in den Armen seines Mannschaftskollegen Steffen Weber und weinte. Der 1,97m große Koloss hatte seinen Mundschutz herausgenommen, das sah brutal aus, weil ihm ein Schneidezahn fehlte. Schwarzer weinte, nicht nur eine verschämte Träne, nein, es war ein enthemmtes Schluchzen, das jede Öffentlichkeit ignorierte und sein Inneres freilegte. Dieser Moment von Lissabon war gewissermaßen die Verdichtung seiner Leidenschaft. Der nicht zu widerlegende Beweis dafür, dass ein Sportler alles getan hatte, um zu gewinnen.

Ein Jahr später ist er mit der Nationalmannschaft dann Europameister geworden. „Wir kennen jetzt das Gefühl, wie es ist, ganz oben zu stehen“, sagt Schwarzer, der heute beim letzten Test in Frankfurt gegen Slowenien sein 293. Länderspiel bestreitet. Dieses Gefühl wollen sie noch einmal spüren. Es wäre der krönende Abschluss einer ganzen Spielergeneration, die für danach schon ihren Rücktritt angekündigt hat. Die Leistungen der Nationalmannschaft wird seit Jahren getragen von Routiniers wie Volker Zerbe, Klaus-Dieter Petersen und eben Schwarzer, der dieses Jahr 35 wird. Diese drei haben schon in der Nationalmannschaft gespielt, als der Ostblock noch existierte und die bundesdeutsche Nationalmannschaft dreimal hintereinander nicht einmal die Qualifikation für Olympia schaffte (1984 bis 1992). Schwarzer debütierte als 20-Jähriger im November 1989 gegen die DDR, kurz nach dem Mauerfall, „da waren Größen dabei wie Wahl, Borchardt und Winselmann, die kannte man nur aus dem Fernsehen“. Damals war Handball eine andere Sportart, mit Spezialisten, die nur für den Angriff eingewechselt wurden und den Ball dann aufs Tor knallten. Heute, da nur Kombinationshandball den Erfolg garantiert, wirkt diese Spielweise wie aus der Steinzeit. Zudem hat die 1996 eingeführte „schnelle Mitte“, der direkte Mittelanwurf nach einem Gegentor, das Spiel brutal beschleunigt.

Schwarzer hat die Revolution überstanden und ist zu einem Star avanciert. 1999 wechselte er für zwei Jahre zum FC Barcelona, mit dem er die Champions League gewann. Seit 2001 spielt er beim TBV Lemgo, dort ist er Deutscher Meister geworden. Aber seine sensationelle Kreisläuferkunst hat außerhalb der Handballöffentlichkeit kaum jemand registriert. Manchmal sogar dort nicht: Während der WM in Portugal hat ihn einmal ein ZDF-Kommentator als „talentiert“ bezeichnet, ihn, den besten Kreisläufer der Welt. Die Kollegen haben herzhaft gelacht, allen voran der ewige Zimmergenosse Stefan Kretzschmar, der ihn einen „absoluten Vollprofi“ nennt. Auch, oder gerade, weil er mal eine Träne vergießt.

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