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Sport: Der Mann in der Frau

Yvonne Buschbaum träumte immer von einem neuen Leben. Keiner verstand sie

Berlin - Herbert Czingon erfuhr es in seinem Trainerzimmer, in Mainz. Yvonne Buschbaum hatte um das Gespräch gebeten. Danach, sagt Czingon, „hatte ich mich gefühlt, als wäre sie gestorben“. Irgendwie ist die bisherige Yvonne Buschbaum ja jetzt auch Vergangenheit. Aber sie wird auch neu geschaffen, das gehört auch zu ihrer Geschichte. Und deshalb empfand Czingon, ihr Trainer, auch noch Neid. Positiv besetzter Neid auf jemanden, „der in ein völlig neues Leben eintritt. Wer kann das schon? Für sie ist das eine Wiedergeburt.“

Trainer, ich höre auf. Das sagte sie zu ihm. Dann erzählte die Stabhochspringerin, WM-Sechste von 2003, ihre Geschichte. Die Leiden einer Frau, die sich als Mann fühlt, die jetzt eine Geschlechtsumwandlung vollzieht, die neu geboren werden will. Die endlich das Gefühl haben möchte, im richtigen Körper zu leben.

Vor vier Wochen erzählte sie es dem Bundestrainer der Stabhochspringerinnen, am Mittwoch erzählte sie es allen, sie hatte sich auf ihrer Homepage geoutet. Vor ein paar Tagen hatte sie ihre Trainingsgruppe informiert. „Da haben einige geweint“, sagt Czingon.

Es gab kleine Hinweise auf diese Entwicklung, versteckte Anzeichen. Kleine Mosaiksteine, die damals keiner richtg deutete, die erst jetzt zum Bild passen. Die kurzen Haare von Yvonne Buschbaum, die Tatsache, dass sie sich zum letzten Mal in ihrer Jugend weiblich gekleidet hatte. „Sie hatte schon immer angedeutet, dass sie sich wie ein Mann fühlt“, sagt Czingon. „Man hat ja auch gesehen, wie sie mit Männern umgegangen ist.“ Details will er nicht sagen. Er kennt sie seit elf Jahren.

Aber in ihrer Trainingsgruppe spürten sie seit längerem auch, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Andererseits: Wer hat denn keine Probleme? Niemand zog die annähernd richtigen Schlüsse. Yvonne Buschbaum fühlt sich wie ein Mann? Na und? Das war doch nichts Neues. Es gab keinen Grund, das jetzt als Besonderheit zu bemerken. Und ihre Beziehung? Auch nichts Ungewöhnliches. Seit einem Jahr ist Yvonne Buschbaum mit einer Stabhochspringerin liiert. Doch normal im Leben der Yvonne Buschbaum war zuletzt nichts mehr. Sie war oft verletzt, die Erfolge blieben aus, sie fühlte sich psychisch nicht stabil. Das sagte sie selber, auf ihrer Homepage. Jetzt redet sie nicht mehr.

Yvonne Buschbaum benötigte einen klaren Schnitt, ein Ende der Leiden. Als sie zu Czingon kam, in sein Zimmer, da hatte sie sich entschieden. Sie ließ keinen Platz für Diskussionen. Der Entschluss stand fest, basta. „Für sie ist es ein Gefühl der Befreiung“, sagt Czingon. „Ich stehe voll hinter ihr“, sagt er auch.

Ende September haben sie noch das neue Wettkampfjahr begonnen. „Yvonne war hochmotiviert“, sagt der Trainer. Aber damals, das ist ihm jetzt klar, wusste sie noch nicht, wann sie mit der Behandlung beginnen konnte. Als sie dann die konkreten Daten erfuhr, da entschied sie: Jetzt ist Schluss. Einer der ersten, den sie informierte, war ihr Vorgesetzter bei der Bundeswehr. Yvonne Buschbaum ist Sportsoldatin, sie scheidet jetzt aus, alles ist schon geregelt.

Aber sie wird sich nicht ganz zurückziehen vom Sport. Die 27-Jährige wird Czingon beim Training unterstützen, irgendwann, wenn sie dazu Zeit hat. Und sie wird auch noch ab und zu mittrainieren.

Die alten Leiden der Yvonne Buschbaum sind vorbei. Wie sehr sie sich befreit fühlen muss, sah Czingon wieder mal am Mittwochabend. Da trainierte Yvonne Buschbaum mit den anderen, obwohl sie offiziell schon zurückgetreten war. Aber sie hatte jetzt einfach Spaß. Die Gruppe machte Tempoläufe. Mit Yvonne Buschbaum. „Bis vor kurzem“, sagt Czingon, „hätte sie das nicht machen können.“ Da schmerzte die Achillesferse. Dass sie jetzt nicht mehr schmerzt, kann Zufall sein. Es kann aber auch ein Symbol dafür sein, dass der Körper nicht mehr auf die seelischen Leiden reagiert. Die Schmerzen haben ziemlich genau da aufgehört, als sie ihren Rücktritt beschloss.

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