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Sport: Der Meisterstürmer

Bei Tabellenführer Schalke macht Kevin Kuranyi derzeit den Unterschied

Kevin Kuranyi bedankte sich mit einem Kuss, vor aller Augen, mitten auf dem Fußballplatz. Seine Lippen benetzten die Wange Hamit Altintops. Der türkische Mittelfeldspieler hatte dem Stürmerstar des FC Schalke 04 mit einer präzisen Vorlage das Siegtor gegen den 1. FC Nürnberg ermöglicht. Dieses Dankeschön kam von Herzen – und nicht von ungefähr. Im Training seien sie aneinander geraten, weil Altintop oft von weitem aufs Tor geschossen habe, anstatt zu flanken, sagt Kuranyi. „Da habe ich ihn angemotzt.“ Und voilà: Altintop flankte, Kuranyi köpfte, Schalke siegte.

Ein einziges Tor hat genügt, um Schalke den Glauben an die eigenen Stärke zurückzugeben. Und den Glauben an den Gewinn der deutschen Fußballmeisterschaft. Laut Tabelle waren sie trotz der Niederlage eine Woche zuvor in Bochum die Nummer eins der Bundesliga geblieben. Seit dem 1:0 über Nürnberg fühlen sie sich auch wieder so. Zu verdanken haben sie ihren mentalen Aufschwung besonders einem Spieler, an dessen Klasse die Schalker Fans gezweifelt hatten: Kevin Kuranyi. Der Angreifer gab früher genügend Anlass dazu. Gegen Nürnberg aber gelang ihm sein 15. Saisontor.

Der 25 Jahre alte Profi hat sich gewandelt: vom Mitläufer zum Matchwinner, vom Zauderer zum Zugpferd. „Ich will den Titel unbedingt, und ich will die Mannschaft mitziehen“, sagt Kuranyi. Noch nie war er so wertvoll für seinen Klub wie in diesen Tagen. „Kevin ist scharf auf den Titel wie kein zweiter“, sagt Mittelfeldspieler Fabian Ernst.

Im Getöse Gelsenkirchens hatte Kuranyi lange wie der richtige Mann am falschen Ort gewirkt; er schien nie richtig angekommen zu sein im westfälischen Fußballrevier mit dem rauen Charme. Viele Anhänger haben ihn mehr geduldet als geliebt. Dann wurde er auch noch aus der Nationalmannschaft ausgemustert, kurz vor der WM im eigenen Land. Statt im deutschen Sommermärchen mitzuspielen, war Kuranyi sportlich wie gedanklich am Tiefpunkt. Doch das große Ziel, das die Schalker vor der Saison mutig formulierten, muss ihn ermuntert und ermutigt haben. Von Trainer Mirko Slomka mit einem hohen Vertrauensvorschuss ausgestattet, kämpfte sich der Stürmer aus der Krise, eroberte seinen Platz in der Nationalelf zurück und schoss Schalke an die Spitze. „Wir haben in dieser Saison die Chance, etwas Großes zu erreichen. Ich versuche, so oft wie möglich daran zu denken“, sagt er.

Kuranyi macht derzeit am deutlichsten den Unterschied sichtbar zwischen Schalke und vielen anderen Mannschaften, die dem Favoriten trotzen wie zuletzt Nürnberg. „Kevin sucht die Entscheidung“, sagt Manager Andreas Müller. „Er tut alles dafür, den Titel hierher zu holen.“ Kuranyi stellt sich in den Dienst der Mannschaft, nicht nur, wenn er selbst einen Angriff abschließt. Zu seinen 15 Treffern kommen elf Vorlagen, von denen andere Schützen profitiert haben. Bei Ballbesitz des Gegners wird er zum Störer und zum Dieb. „Er attackiert von hinten und klaut Bälle“, sagt Müller.

Wenn Kuranyi Deutscher Meister werden will, muss er seinen früheren Kollegen weh tun. Dazu ist er fest entschlossen. „In mir steckt viel Stuttgart, aber ich werde alles für Schalke geben.“ Um nicht von falschen Freunden beeinflusst zu werden, hat er eine Kontaktsperre verhängt. Nach seinen aktuellen Verbindungen zum VfB befragt, antwortet Kuranyi: „So wenig wie möglich.“ Er hat sich vorgenommen, die Verfolger aus Stuttgart auch in den letzten beiden Spielen (gegen Dortmund und Bielefeld) auf Distanz zu halten: „Ich hoffe, dass ich noch wichtigere Tore schieße als das gegen Nürnberg.“

Wer warum Meister wird: Seite 2

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