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Sport: Der menschliche Makel

Als die Damen blieben, kam die Wende. Bis zur Hälfte des Matches zwischen Wladimir Kramnik und dem Schachcomputer Deep Fritz in Manama (Bahrain) hatte der Weltmeister seinen elektronischen Gegner beherrscht und mit 3:1 Punkten klar geführt.

Als die Damen blieben, kam die Wende. Bis zur Hälfte des Matches zwischen Wladimir Kramnik und dem Schachcomputer Deep Fritz in Manama (Bahrain) hatte der Weltmeister seinen elektronischen Gegner beherrscht und mit 3:1 Punkten klar geführt. Stets waren die mächtigen Damen frühzeitig vom Brett verschwunden. Doch in der fünften und sechsten Partie gelang es dem Russen nicht, seine erfolgreiche Anti-Computer-Strategie fortzusetzen: Beide Male blieben die Damen auf dem Brett, beide Male siegte Deep Fritz. Vor der siebten Partie am heutigen Donnerstag steht es 3:3. Kramnik fehlen weiterhin 1,5 Punkte aus den verbleibenden zwei Partien. Während der Weltmeister in der sechsten Partie über seinen 17. Zug grübelte, erspähte er in einer verborgenen Opferwendung die Chance, die, wie er später sagte, „schönste Partie meiner Karriere zu spielen“. Zehn Züge später offenbarte sich, dass Kramnik eine Verteidigungsressource außer Acht gelassen hatte. Diese menschliche Schwäche hat den Wettkampf wieder spannend gemacht.

W. Kramnik – Deep Fritz (6. Partie) 1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sf3 b6 4. g3 La6 (Diese Variante der Damenindischen Verteidigung steht bei Großmeistern seit vielen Jahren hoch im Kurs. Kramnik spielt sie manchmal auch mit den schwarzen Steinen.) 5. b3 Lb4+ 6. Ld2 Le7 7. Lg2 c6 8. Lc3 d5 9. Se5 Sfd7 10. Sxd7 Sxd7 11. Sd2 0-0 12. 0-0 Tc8 13 .a4 (Der Weltmeister wählt einen eröffnungs-theoretischen Nebenpfad, sein Zug ist gegen …b5 gerichtet. Häufiger geschieht 13. e4 oder 13. Te1.) 13… Lf6 14. e4 c5 15. exd5 cxd4 16. Lb4 Te8 (Danach vertiefte sich Kramnik zum ersten Mal in die Stellung und zog…) 17. Se4? (… einer der seltenen Fälle, bei dem offenbar sein feiner Sinn für Gefahren aussetzte. Er habe hier das Springeropfer im 19. Zug gesehen und ihm einfach nicht widerstehen können, sagte Kramnik. Doch egal, ob riskante Manöver dieser Art objektiv gut oder schlecht sind, sollten Schachcomputer lieber strategisch, nicht taktisch angegangen werden - kaum einer hatte dies jemals besser vorgemacht als Kramnik in den ersten Partien gegen Deep Fritz.

Vernünftiger wäre 17. dxe6 Txe6 18. Se4 gewesen.) 17… exd5 18. Sd6 dxc4 19. Sxf7 (Die Pointe. Natürlich hatte Kramnik nicht sein Zentrum aufgegeben, um nun plump einen der Türme auf c8 oder e8 abzugreifen. Doch der spektakuläre Angriff auf den ins Freie gezerrten schwarzen König hat in Wirklichkeit zu wenig Kraft. In Betracht kam 19. Ld5.) 19… Kxf7 20. Ld5+ Kg6 21. Dg4+ Lg5 22. Le4+ (Auch nach 22.f4 h5! würde der weiße Angriff abgeschlagen.) 22…Txe4! 23. Dxe4+ Kh6 24. h4 Lf6 25. Ld2+ g5 26. hxg5+ Lxg5 (Wohl bis hierher hatte Kramnik bei seinem 17. Zug alles berechnet und war zu dem Schluss gekommen, dass nun 27. De6+ Sf6 28. f4 gewönne. Was er dabei jedoch übersehen hatte, war 28…Lh4! 29. gxh4 Dg8+, mit schwarzer Gewinnstellung. Auch mit anderen Zügen wäre die Partie nicht mehr zu retten gewesen, z.B. 27. f4 Lf6 28. Tf2 Kg7 29. Th2 Sf8 oder 27. Dxd4 Sc5 28. Lxg5+ Dxg5 29. bxc4 Td8, und die schwarzen Figuren würden prächtig harmonieren.) 27. Dh4+ Kg6 28. De4+ Kg7 29. Lxg5 Dxg5 30. Tfe1 cxb3 31. Dxd4+ Sf6 32. a5 Dd5 33. Dxd5 Sxd5 34. axb6 axb6 (Der b-Bauer entscheidet.) 0:1.

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