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Alles im Blick. Seit fast vierzig Jahren wacht Ecclestone über die Formel 1, wie hier 1986 am Hockenheimring. Foto: dpa

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Sport: Der Mittelpunkt seines Universums

Auch an seinem 80. Geburtstag ist die Formel 1 ohne Bernie Ecclestone undenkbar

Von Christian Hönicke

Die Schiebetür öffnet sich mit einem Surren, es wirkt ein wenig wie auf der Kommandobrücke des „Star Wars“-Todessterns. Licht und Lautstärke sind gedämpft, futuristische Sitzmöbel gruppieren sich ehrfürchtig um einen schweren Tisch, dahinter flackert eine riesige Bildschirmwand unaufhörlich. Nur wenige schaffen es hier hinein in den Todesstern der Formel 1 und sehen den Imperator bei der Arbeit. Der kleine, alte Mann steht da in seiner Schaltzentrale und schaut durch Dutzende Monitore auf das Universum, das er selbst erschaffen hat. Dann dreht er sich um, blickt seinen stechenden Blick und sagt: „Sorry, ich habe nicht viel Zeit.“

Bernard Charles Ecclestone hat nie viel Zeit. Er hat Dinge zu erledigen, ob er wie heute seinen 80. Geburtstag feiert oder nicht. Einen freien Tag oder gar Urlaub empfindet er nicht als Entspannung, sondern als „Bestrafung“. Entspannen kann sich Ecclestone nur in seinem Büro.

Wenn es den homo oeconomicus wirklich gibt, dann residiert er hier in diesem matt glänzenden Lkw-Anhänger, der immer am Eingang des Fahrerlagers der Formel 1 steht – egal, wo sie gerade gastiert. Er glaube an nichts, sagte Bernie Ecclestone dem Tagesspiegel einmal, außer an die Macht des Geldes: „Wenn Sie so wollen, ist das Geld die wahre Weltreligion. Alle Tiere und Menschen kämpfen um Essen oder materielle Dinge.“ Und in dieser Disziplin, beim Geldscheffeln, da ist er Weltmeister. Immer noch.

Die Bilanz ist Ecclestones Bibel, Effizienz sein Vaterunser. Städte, Staaten, ganze Erdteile quetscht er aus, bis es nicht mehr geht. Nicht weil er das Geld braucht, sondern weil es „mein Job ist“. Seit fast 40 Jahren tut er das als Chefvermarkter der Formel 1, missioniert wurde er aber schon als Kind in London: „Ich habe mit allem gedealt, was mir in die Finger kam.“ Kaugummi, Stifte, Fahrradpumpen, Brötchen, es gab nichts, was der kleine Bernie nicht gewinnbringend verhökerte.

Zum Motorsport kam er als Beiwageninsasse bei Motorradrennen. Als 1950 in Silverstone die moderne Formel 1 geboren wurde, war Ecclestone als Teilnehmer eines Rahmenrennens dabei. Später versuchte er sein Glück am Steuer eines Grand-Prix-Renners, konnte sich aber nie qualifizieren. Als Strippenzieher war er deutlich begabter, ob als Gebrauchtwagenhändler, Manager talentierter Piloten oder Teambesitzer.

Er kaufte den Rennstall Brabham und führte ihn zum WM-Titel, wirklich zum Vorschein kam Ecclestones Talent aber erst, als er sich von der sportlichen Seite komplett abwandte. Anfang der 70er begann er, die Kirmesveranstaltung Formel 1 zu professionalisieren. Er handelte einen Fernsehvertrag aus – der erste Schritt zu einem Imperium, das heute jährlich über zwei Milliarden Dollar umsetzt und 800 Millionen Dollar Gewinn abwirft.

Sein Universum regiert Ecclestone als eine Art sozialer Diktator. Die Unfalltode seiner Freunde Stuart Lewis-Evans und Jochen Rindt („Der härteste Schlag in meinem Leben“) haben ihn hart gemacht, aber nicht völlig gefühlskalt. „Ich vertraue Menschen generell, bis ich herausfinde, dass ich ihnen nicht trauen kann“, sagt er. Und wer das Vertrauen von „Mr. E“ einmal verspielt hat, bekommt es nie wieder.

Der Herrscher der Grand-Prix-Welt lässt alle an dem von ihm erwirtschafteten Wohlstand teilhaben, solange sie ihn nicht hintergehen. So dirigiert er Fahrer in die richtigen Teams, ordnet die Regeln und schickt seine Show in immer fernere Märkte. Der Asket unter den Milliardären hält nicht viel von Demokratie, und es brachte ihn mächtig ins Wanken, als er das mit dem Verweis auf zwielichtige historische Gestalten wie Saddam und Hitler kundtat. Ecclestone überstand auch diese Krise, weil er sich selbst unersetzbar gemacht hat. Die Formel 1 hat er mit einem undurchdringlichen Netz aus Freunden und Firmen überspannt, in dem sich noch alle Revolten hoffnungslos verhedderten. Nur er selbst ist über alles im Bilde, kein Schachzug in der Welt zwischen den Leitplanken bleibt ihm verborgen. Da bleibt kaum Zeit für ein Privatleben, das musste auch seine Frau Slavica einsehen, die ihn verließ, als die beiden Töchter aus dem Haus waren. Ecclestone registrierte es enttäuscht und gab ein paar Milliarden von seinem Vermögen ab, dann wandte er sich wieder seiner großen Liebe zu.

Auch der Automobil-Weltverband Fia konnte sich seinem Netz nicht entziehen. Jahrzehntelang bildete er mit seinem Freund Max Mosley an der Fia-Spitze ein fast unbesiegbares Duo. „Wir sind nicht wie die Mafia, wir sind die Mafia“, sagte Ecclestone einmal. Jetzt ist Mosley weg, gestolpert über Sexvideos, aber Ecclestone ist immer noch da. Und er wird bleiben, bis sie ihn rauswerfen oder er stirbt – für ihn ist das sowieso das Gleiche: „Ich höre erst auf, wenn ich ins Grab falle.“

Dieser Tag scheint noch fern, auch wenn Ecclestone mit seinem immer umfangreicheren Grand-Prix-Kalender nicht mehr Schritt halten kann und hin und wieder eine Pause braucht. Von seinem aktuellen Lieblingsfahrer Sebastian Vettel bekam er zum Geburtstag einen selbst gebastelten Rollator geschenkt. Einen Nachfolger hat Ecclestone dennoch nicht aufgebaut, wieso auch, schließlich „mache ich das alles hier nur für mich selbst“. Flavio Briatore sollte es einmal werden, doch der umtriebige Ex-Playboy hat sich mit seinen skrupellosen Methoden wohl sogar in der Formel 1 unvermittelbar gemacht.

Also muss der alte Imperator es weiter machen. Seinen 80. Ehrentag verbringt Bernie Ecclestone heute mit größter Wahrscheinlichkeit so, wie er seine Tage am liebsten verbringt: „Ich sitze in meinem Büro und arbeite.“

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