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Sport: Der Nachtreter Blumen auf La Paloma

Von Klaus Rocca Berlin. Ein Choleriker ist Dieter Hoeneß nicht.

Von Klaus Rocca

Berlin. Ein Choleriker ist Dieter Hoeneß nicht. Dass er nicht verlieren kann, wie er selbst zugibt – das geht anderen auch so. Nach so mancher Niederlage seiner Hertha hat Hoeneß in der ersten Erregung Wertungen abgegeben, die seltsam anmuteten. Später hatte er sich wieder im Griff, die Ratio bestimmte wieder seine Worte. Diesmal ist alles ganz anders. Diesmal gehen die Emotionen so mit ihm durch, dass sie gar nicht zu bremsen sind. So scheint es jedenfalls.

Am Mittwoch hatte ihm das DFB-Sportgericht verboten, für zwei Spiele den Innenraum zu betreten, und ihn mit 10 000 Euro Strafe belegt. Bestraft wurde damit das Verhalten des Hertha-Managers nach dem Feldverweis für Dick van Burik beim Spiel am Sonnabend in München. Nur mit Mühe war Hoeneß zu bewegen, dem Verweis von Schiedsrichter Uwe Kemmling auf die Tribüne Folge zu leisten.

Der Stachel sitzt tief. In einem Interview mit dem Fachblatt „Kicker“ attackiert Hoeneß den Schiedsrichter weiterhin vehement, bezichtigt ihn gar der Lüge. Der DFB-Kontrollausschuss reagierte prompt. Dessen Vorsitzender Horst Hilpert hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, will Hoeneß nun sogar für drei Spiele auf die Tribüne verbannen. Kommentar von Hoeneß: „Es ist mir doch völlig wurscht, ob der Kontrollausschuss noch eins draufsetzt.“

Völlig wurscht ist ihm auch, „ob ich nun auf der Tribüne sitze oder auf der Trainerbank“. Und die Geldstrafe werde er selbstverständlich zahlen, aber nicht an den DFB, sondern an eine wohltätige Organisation. Ob da der DFB mitmacht, wird sich zeigen.

Den schwer wiegenden Vorwurf, Kemmling habe in seinem Sonderbericht über das Spiel in München gelogen, hielt Hoeneß auch gestern aufrecht. Hoeneß: „Da es sich um ein schwebendes Verfahren handelt, werde ich aber jetzt nicht sagen, wobei er die Unwahrheit gesagt hat. So viel nur: Herr Kemmling hat eine objektiv falsche Darstellung des Sachverhalts gegeben. Dafür gibt es Zeugen.“ Den Vorwurf der Lüge will Herthas Manager erst am kommenden Donnerstag begründen, wenn über die Strafe für Dick van Burik verhandelt wird.

Schwer wiegt auch der Vorwurf von Hoeneß, Kemmling habe vorsätzlich gegen Hertha gepfiffen. Hoeneß: „Herr Kemmling hat doch schon in der Vergangenheit öfter Fehlentscheidungen zu unseren Ungunsten gefällt. Und ich hatte schon vor dem Spiel in München den Verdacht, dass er es auch diesmal wieder auf uns abgesehen hat.“ Das sei zwar nur eine persönliche Einschätzung gewesen, aber die habe sich leider bestätigt. „Das kann man mit uns nicht machen. Willkür lassen wir nicht zu.“ Die angebliche Fehlentscheidung Kemmlings beim Feldverweis für Dick van Burik „hat uns 20 Millionen gekostet“. Soll heißen: Hätte Hertha in München nicht verloren, wäre die lukrative Champions League noch zu erreichen gewesen.

Hoeneß („Bitte verschont uns mit diesem Mann“) wird beim DFB den Antrag stellen, Kemmling künftig nicht mehr bei Spielen von Hertha einzusetzen. Dass dieser Antrag kaum eine Chance hat, weiß er selbst. Der 41-jährige Verwaltungsangestellte aus Burgwedel, seit 1989 DFB-Schiedsrichter und seit 1996 in der Bundesliga Referee, genießt beim Verband einen guten Ruf. Zudem wird Kemmling auch von neutralen Beobachtern attestiert, beim Freistoß-Pfiff gegen van Burik nach dem Foul an Giovane Elber durchaus nach den Regeln gehandelt zu haben. Ob bei der dann folgenden Eskalation schließlich die Rote Karte angebracht war, darüber gehen die Meinungen auseinander. Van Burik soll Kemmling mit dem Götz-Zitat beleidigt haben. Nach Ansicht von Hoeneß falle dieses Zitat dauernd im Spiel. Dass sich sein Bruder Uli hinter die Entscheidung Kemmlings gestellt hat, erbost Hoeneß besonders.

Tröstlich immerhin, dass Herthas Manager sein Verhalten in München als „nicht hundertprozentig korrekt“ bezeichnet. Und bis zur Verhandlung am kommenden Donnerstag wird es bei Hoeneß vielleicht auch wieder heißen: mehr Kopf, weniger Bauch.

Was bislang Usus war, ist es am Sonnabend nicht. Zum Abschied ein Blumenstrauß, überreicht vor dem Spiel auf dem Rasen – so war es bisher. Bei Sebastian Deisler ist alles anders. Ein nobleres Präsent, weil es sich um einen millionenschweren Jüngling handelt? Nein. Deisler bekommt gar nichts, nicht mal Blumen.

Nicht, dass Hertha BSC nach der Kirch-Media-Insolvenz im Zuge der allseits erwarteten Sparwelle die Kosten für die Blümchen nicht aufbringen wollte. Nein, Deisler soll am Sonnabend möglichst anonym bleiben. „Wir wollen das Spiel gegen Schalke nicht durch mögliche Missverständnisse stören“, sagt Dieter Hoeneß, der Manager.

Missverständnisse? Zur Erinnerung: Als Deisler im Duell mit Nürnberg sein Comeback feierte, gab es Pfiffe und andere Unmutsäußerungen. Die Fans fühlten sich von Deisler über die Umstände bei dessen Wechsel zum FC Bayern belogen. Und möglicherweise noch immer. Herthas Sorgen vor neuen Missfallenskundgebungen sind also so abwegig nicht. Und Hoeneß hat sogar Verständnis für den Unmut. Er selbst habe Deisler geraten, die Missverständnisse auszuräumen. Das habe Deisler leider abgelehnt, weil er sich „nicht anbiedern wollte“ (Hoeneß).

So ganz sang- und klanglos wird die Trennung dennoch nicht erfolgen. Der Stadionsprecher wird einige Abschiedsworte an Deisler (und den ebenfalls scheidenden Ali Daei) richten, auf der Anzeigetafel wird sein Konterfei noch einmal aufleuchten. Und im Stadionprogramm wird beiden eine ganze Seite gewidmet.

Den Blumenstrauß gibt es dann doch noch. Am 5. Mai auf dem Wannseedampfer „La Paloma“. Wenn Mannschaft und Offzielle die Saison ausklingen lassen. Im kleinen Kreis. Dann hoffentlich ohne Missverständnisse.Klaus Rocca

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