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Der Weltmeister Jack Culcay (links) wird von Demetrius Andrade aus den USA herausgefordert.

© Uwe Anspach/dpa

Der nächste Weltmeister von Ulli Wegner: Mit gebremstem Temperament

Der Berliner Boxer Jack Culcay strebt im WM-Kampf gegen Demetrius Andrade aus den USA nach dem großen Durchbruch.

Jack Culcay hat sein Gesäß auf dem Stuhl so weit nach vorn geschoben, als wolle er unter dem Tisch verschwinden. Seine Arme hat er vor sich auf den Tisch gelegt. Auf der andere Seite des langen Konferenztisches hält Ulli Wegner gerade eine seiner Andachten, mit denen er seine Boxer für gewöhnlich zu Beginn einer jeden Trainingseinheit im Gym beglückt. „Im Leistungssport gibt es keine Demokratie! Leistungssport ist hart! Ihr müsst euch führen lassen!“, sagt Wegner und erzählt noch dies und das.

Der 74 Jahre alte Boxtrainer gilt hierzulande als Großmeister des Einschwörens auf ein großes Ziel. Er hat schon Athleten wie Markus Beyer, Sven Ottke oder Arthur Abraham durchdrungen und zu Weltmeisterehren geführt. Genau deshalb ist auch Culcay hier. Zwar hat es der 31-Jährige sowohl bei den Amateuren als auch den Profis zum Weltmeistertitel gebracht – dieses Double gelang in Deutschland vor ihm nur Henry Maske. Und doch ist Culcay bisher der große Durchbruch verwehrt geblieben. Das aber kann sich auf einem Schlag ändern.

Der Wahl-Berliner steht vor seiner größten Herausforderung

Allerdings steht Culcay, aktueller Weltmeister im Halb-Mittelgewicht nach WBA-Version, vor einer Herkulesaufgabe. In Ludwigshafen trifft er Samstagnacht auf den Amerikaner Demetrius Andrade (22.15 Uhr/ProSieben Maxx). „Laut Experten ist Andrade aktuell der beste Halb-Mittelgewichtler der Welt“, sagt Culcays Promoter Kalle Sauerland. Und auch Culcay weiß, worauf er sich eingelassen hat: „Das ist die größte Herausforderung meiner bisherigen Karriere.“

Als Fünfjähriger kam der Sohn einer Deutschen und eines Ecuadorianers nach Deutschland und wuchs in Darmstadt auf. Dort begann er mit zwölf das Boxen. Als Weltergewichtler reiste er 2007 zur WM nach Chicago, wo er eben jenem Andrade noch unterlegen war, den er nun, zehn Jahre später, wieder vor die Fäuste bekommt. 2009 holte Culcay nach, was ihm in den USA noch versagt geblieben war. Er wurde Weltmeister bei den Amateuren.

Noch 2009 wechselte er ins Berufsboxen und schloss sich der Hamburger Universum Box-Promotion an. Doch es fehlten die großen Kämpfe und die großen Gagen. 2012 wechselte er zu Sauerland Event nach Berlin. 2015 hat sich dann Ulli Wegner seiner angenommen. Anschließend gewann Culcay den Interimstitel der WBA im Halb-Mittelgewicht, den er danach zweimal erfolgreich verteidigen konnte.

Erst neulich hat ihn das Boxsport-Magazin als „Boxer des Jahres 2016“ ausgezeichnet. Wenn er den großen Durchbruch schaffen will, dann muss es jetzt passieren. „Jack ist wahrscheinlich der aktuell kompletteste Boxer, den wir in Deutschland haben“, sagt etwa Arthur Abraham, der ihn aus der gemeinsamen Trainingsgruppe kennt. Aber Andrade ist ein Hochkaräter. Der 29-Jährige ist in 23 Kämpfen bei 16 Knockouts unbesiegt und ehemaliger WBO-Weltmeister in dieser Gewichtsklasse. „Er ist mit 1,85 Meter nicht nur unglaublich groß für das Halb-Mittelgewicht, sondern dazu auch noch Rechtsausleger“, sagt Wegner. Weltweit könne man Boxer mit diesen Eigenschaften an einer Hand abzählen.

„Ich habe Power für zwölf Runden und werde der Welt beweisen, dass ich gegen die stärksten Boxer der Welt bestehen kann. Und dann geht es auf nach Amerika“, sagt Culcay. Der Normalausleger ist 13 Zentimeter kleiner als der Herausforderer, er hat 21 seiner 22 Kämpfe gewonnen, davon elf durch Knockout.

Culcay verfügt über sehr gute Anlagen, er kann variabel boxen und hat ein gutes Rhythmusgefühl. Allerdings gehe manches Mal sein „Latino-Temperament“ mit ihm durch, wie es Wegner nennt: „Er will immer jede Runde haben, aber die zwölf Runden sind lang.“ Auch deshalb wurde zuletzt oft an Culcays „Kampfsteuerung“ gearbeitet: „Jack muss im richtigen Moment dagegenhalten, um Verschnaufpausen oder Schwächephasen von Andrade auszunutzen“, sagt Wegner und flüstert seinem Nebenmann zu: „Ist ein guter Junge, der Jack.“

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