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Sport: Der neue Fußball-Markt

Mit der Verpflichtung des Japaners Takahara und des Chinesen Shao tastet sich die Bundesliga an Asien heran

Von Karsten Doneck, dpa

Von Karsten Doneck

und André Görke

Hamburg/München. Wer einen neuen Artikel auf den Markt wirft, braucht Phantasie. Die hatte der Hamburger SV. Zu Beginn dieses Jahres verpflichtete der Fußball-Bundesligist den Japaner Naohiro Takahara – und bot parallel dazu Trikots mit Rückennummer und Namenszug des Stürmers an. Die Nachfrage ist überwältigend. Hamburger Zeitungen berichten, der HSV habe schon Takahara-Trikots in vierstelliger Stückzahl verkauft, auch und gerade in Japan, wo Takahara ein Volksheld ist. Das Trikot kostet im HSV-Fan-Shop 74,95 Euro. Künftig wird das Textil auch mit japanischen Schriftzeichen auf der Rückseite verkauft.

Zwischen 100 000 und 250 000 Euro Ablöse hat Takahara gekostet. Diese Investition soll sich amortisieren. Reinhard Geise, beim HSV in leitender Funktion für das Marketing zuständig, sagt: „Die ganze Euphorie um Takahara ist für uns ein guter Anknüpfungspunkt.“ Ein Anknüpfungspunkt für gute Geschäfte. Schon im Zuge von Takaharas Verpflichtung verhandelte der HSV mit einem japanischen Kamerahersteller über ein Engagement als Sponsoren. „Die haben sehr positiv reagiert auf unser Angebot“, sagt Geise.

Ganz behutsam tastet sich die Fußball-Bundesliga an den asiatischen Markt heran. So hat 1860 München unlängst Jiay Shao verpflichtet, der in der Heimat schon als Beckham Chinas gefeiert wird. Die Münchner ziehen aus diesem Transfer bereits Profit: Ein chinesischer Motorrad-Hersteller ist beim TSV 1860 als Sponsor eingestiegen und zahlt jetzt etwa eine Million Euro. „Mit zwei weiteren Unternehmen stehen wir in Verhandlungen“, sagt Peter Leible, der Marketingchef von 1860 München.

Die Transfers von Takahara zum HSV und Shao zu 1860 München wurden von einem enormen Medienrummel begleitet. Bis zu 60 japanische Journalisten trieben sich anfangs auf dem Hamburger Trainingsgelände in Ochsenzoll herum und verfolgten Takahara auf Schritt und Tritt. Irgendwann wurde der Trubel selbst dem genügsamen Trainer Kurt Jara zu viel. „Der soll sich auf Fußball konzentrieren“, sagte Jara und verhängte ein Interviewverbot für Takahara. Doch zu diesem Zeitpunkt hatten die Hamburger Marketing-Experten ihr Ziel längst erreicht. Die nach Hamburg gereisten japanischen Reporter berichteten Tag für Tag in ihre Heimat, der Fernsehsender „wowow“ zeigte die Spiele live im Fernsehen – und der HSV war in Japan alltägliches Gesprächsthema. Eine gute Grundlage für erfolgreiche Geschäftsbeziehungen. „Die großen Märkte in Japan und China – dort steckt doch ein riesiges Potenzial, das bisher nur selten abgerufen wurde“, sagt der Hamburger Marketingmann Geise. „Die Liga sollte die Chance nutzen, die sich in Asien bietet“, findet auch der neue HSV-Präsident Bernd Hoffmann. Michael Pfad, bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) für Kommunikation zuständig, hat schon mal laut darüber nachgedacht, die Bundesliga-Saison irgendwann einmal in Peking oder Yokohama zu eröffnen.

Vielleicht aber ist die Euphorie um die Bundesliga-Importe aus Fernost auch nur eine Momentaufnahme. „Das derzeitige Mediengewitter ist japanischer Stil“, sagt Detlef Foljanty vom Institut für Japanologie an der Freien Universität Berlin. „Wenn ein Japaner im Ausland spielt, ist alles andere nur Nebensache. Das ist wie bei einer bestimmten Mode. Aber eine Mode geht auch wieder vorbei.“ Schon taucht auch die Frage auf, ob Takahara oder Shao in erster Linie zur sportlichen Wertsteigerung verpflichtet wurden – oder doch eher wegen eines erhofften Kapitalzuwachses für die durch die Kirch-Krise finanzielle Not leidenden Bundesligisten. Diese Diskussion geht Detlef Foljanty zu weit: „Die Deutschen haben doch bei der Weltmeisterschaft gesehen, dass auch ein Asiate gut Fußball spielen kann. Bislang wurde ja gedacht, dass Japan so eine Art Steinbruch auf diesem Gebiet ist.“ Die Nachfrage nach guten Fußballern ist schon seit langem vorhanden, aber nur in eine Richtung: Japaner kennen Pierre Littbarski, Rudi Völler und Franz Beckenbauer. Umgekehrt konnten die Deutschen mit den Namen japanischer Stars kaum etwas anfangen – ganz im Gegensatz zu den großen Ligen in Italien und England. „Die Bundesliga hinkt hinterher“, sagt Foljanty. Der italienische Spitzenklub AS Rom verpflichtete schon vor zweieinhalb Jahren das japanische Fußball-Idol Hidetoshi Nakata, in England stehen dessen Nationalmannnschaftskollegen Yoshikatsu Kawaguchi und Junichi Inamoto unter Vertrag. Dort sei das Normalität, sagt Foljanty – und genau darin bestehe das deutsche Problem, denn „Normalität ist nicht gefragt. Wenn die Klubs jetzt nachziehen und überall Asiaten spielen, dann wird das Medieninteresse auch schlagartig nachlassen.“

Doch vorerst müssen die neu gewonnenen Fans in Hamburg und München weiter bei Laune gehalten werden. Bei Heimspielen des HSV gibt es im VIP-Bereich eine SushiBar, im Programmheft zum Nordderby gegen Bremen wurden die Leser auf zwei Seiten mit japanischen Schriftzeichen überrascht. In München widmet die „Abendzeitung“ dem Chinesen Shao eine eigene Rubrik. Titel: „Da Shao her!“ Als Shao zu seinem Debüt gegen Hannover 96 ins Stadion einlief, schwenkten chinesische Fans ihre Nationalfahne. In Asien sollen 300 Millionen Menschen das Spiel im Fernsehen verfolgt haben. „Fußball als Profisportart ist in China neu“, sagt der Asien-Experte Foljanty. Ein Vorteil könnte sein, dass sich der chinesische Markt derzeit nach Westeuropa öffnet. Firmen könnten ihre Bekanntheit hier steigern – genauso wie europäische Unternehmen in China. Für den HSV-Sponsor „TV Spielfilm“ ist es schon jetzt ein netter Nebeneffekt, dass der Produktname nun in Japan bekannt ist. Lesen wird die Zeitung dort allerdings wohl kaum jemand.

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