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Sport: Der Pokalmatador

Clarence Seedorf will heute mit dem AC Mailand zum vierten Mal die Champions League gewinnen

Von Vincenzo Delle Donne, Mailand Wenn die Mannschaft von AC Mailand einen Klassensprecher bräuchte, Clarence Seedorf wäre der geeignete Kandidat. Seedorf bewahrt auch in verbalen Auseinandersetzungen die Fassung, und manchmal gelingt ihm dabei auch ein zielsicherer Konter. Sein Klub stellt ihn daher auch gerne vor die Journalisten, weil er weiß, dass er sich auf den in Surinam geborenen Niederländer verlassen kann. Der 29 Jahre alte Mittelfeldspieler verfügt jedenfalls über einige Eigenschaften eines PRProfis. Das hat er fast allen seiner Mannschaftskollegen voraus. Andrej Schewtschenko beispielsweise redet nur, wenn er Tore geschossen hat, so machen es auch die anderen Spieler von Milan. Seedorf hingegen stellt sich auch dann den Fragen, wenn es eine Niederlage zu kommentieren gibt oder einfach eine Prognose gestellt werden soll.

An diesem Mittwoch, nach dem Champions-League-Finale in Istanbul gegen den FC Liverpool, könnte Seedorf einmal ganz in eigener Sache reden. Bisher hat noch kein Fußballspieler vier Mal die Champions League gewonnen. Er könnte der erste sein. Obwohl Seedorf erst 29 ist, blickt er schon auf eine 13 Jahre lange Profilaufbahn zurück. In der Talentschmiede von Ajax Amsterdam wurde der bullige Seedorf in jungen Jahren entdeckt. Mit 16 debütierte er in der niederländischen Ehrendivision und galt fortan zusammen mit Patrick Kluivert als größtes Talent seines Landes.

Es ist bei diesem steilen Aufstieg kein Wunder, dass er schon mit 19 Jahren zum ersten Mal die Champions League gewann – ausgerechnet gegen den AC Mailand. Im selben Jahr wechselte er von Amsterdam nach Italien, zu Sampdoria Genua. Der ebenfalls aus Surinam stammende Ruud Gullit hatte ihn zum ligurischen Erstligaklub vermittelt. Doch in Genua blieb Seedorf nur eine Saison. Dann engagierte ihn Real Madrid, wo er dreieinhalb Jahre spielte und 1998 zum zweiten Mal die Champions League gewann.

Seinen Stammplatz in Madrid verlor Seedorf jedoch, und deshalb kam ihm der Wechsel 1999 zu Inter Mailand gerade recht. Es sollte nicht seine letzte Station in Italien sein. 2002 heuerte er beim Lokalrivalen AC Mailand an. Ein solcher Wechsel ist für die Tifosi eigentlich Verrat. Seedorf unternahm diesen Schritt aber, als sei es die natürlichste Sache der Welt.

Seedorf weiß, dass er als Profi-Fußballer priviligiert ist. Ein bisschen von seinem Glück will er deshalb weitergeben. Seine Freunde Paolo Maldini und Christian Vieri tummeln sich auf Modeschauen, er nutzt seine Popularität, um Gutes zu tun. Zusammen mit dem Juwelendesigner Rudy Prampolini gründete Seedorf eine Gesellschaft, die eine eigene Juwelen-Kollektion verkauft. Der Erlös kommt der nach ihm benannten Stiftung zu Gute. Sie hat sich zur Aufgabe gemacht, Bedürftigen in Surinam zu helfen. „Ich will damit Menschen helfen, die nicht so viel Glück hatten wie ich“, sagt Seedorf. In dem zentralamerikanischen Staat hatte Seedorf die bittere Armut am eigenen Leib erfahren. Es ist, als seien ihm die Spuren dieser Erfahrungen ins Gesicht geschrieben. Gerade wegen seines bedächtigen und einfühlsamen Auftretens ist in den italienischen Gazetten von der „Holländischen Tristesse“ die Rede, wenn es um Seedorf geht.

Seedorfs Vorzüge werden nicht immer gewürdigt. Kraft und Intelligenz sind seine Stärken, sie will er auch heute einsetzen. Mit Milan gewann er 2003 in Manchester zum dritten Mal die Champions League – im Elfmeterschießen gegen Juventus Turin. „In Manchester gab es mehr Zweifel in der Mannschaft, jetzt gibt es ein größeres Selbstbewusstsein“, sagt er. Zu groß ist das Selbstbewusstsein aber keineswegs. Denn von seinem vierten Champions-League-Sieg spricht Seedorf nicht. Drei europäische Meistertitel haben ihn noch nicht hochmütig gemacht.

1995 MIT AMSTERDAM

Seedorf gewinnt bei Ajax (rechts: Rijkaard) die Champions League. 1998 MIT MADRID

Der zweite Titelgewinn gelingt mit Real unter Trainer Jupp Heynckes.

2003 MIT AC MAILAND

Als erster Spieler holt Seedorf mit drei Vereinen den Pokal.

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