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Sport: Der Preis des Weltmeisters

Wie aus dem unverhofften Erfolg des Wallachs Sam ein kleiner Kriminalfall wurde

Berlin - Auf einmal war der Weltmeister weg. „Verschwunden“, „heimlich verladen“ in einen Transporter, der allerdings nicht irgendeinem Schurken gehört, sondern einem von zwei Besitzern des Weltmeisters. Der andere Besitzer ist daraufhin vor Gericht gezogen, und weil er Recht bekommen hat, wird wohl bald wieder ein Transporter kommen und den Weltmeister abholen. Das ist eine hübsche und irritierende Geschichte. So hübsch und irritierend, dass sie in den vergangenen Tagen oft und großflächig zu lesen war, wenn auch ein wenig einseitig. Denn von den beiden beteiligen Parteien mag nur eine in der Öffentlichkeit reden.

Der Hauptdarsteller heißt Sam, ist zehn Jahre alt und ein überaus erfolgreiches Pferd in der Disziplin Vielseitigkeitsreiten. Vor ein paar Wochen trug Sam seinen Reiter Michael Jung zum Sieg bei der Weltmeisterschaft in Lexington/Kentucky, das hatte vorher noch kein deutscher Reiter geschafft. Im Alltag lebt und trainiert Sam im schwäbischen Horb bei Michael Jung und dessen Familie, die 40 Prozent der Anteile an dem Wallach hält. Die restlichen 60 Prozent liegen bei der Kaufbeurerin Sabine Kreuter. Sie möchte Sam gerne verkaufen.

Weil nun die Familie Jung davon wenig hält, holte Frau Kreuter das Pferd in der vergangenen Woche persönlich ab, allerdings ohne jede Absprache. „Am Telefon hat sie mir später erzählt, ein Interessent wolle Sam ausprobieren“, erzählt Joachim Jung, der Trainer und Vater von Michael Jung, und natürlich „hätte ich ihr Sam nie mitgegeben“. So ein Turnierpferd müsse speziell versorgt werden, es benötige spezielles Sattelzeug, Futter und Beschlag seien genau auf Sam abgestimmt. Außerdem sei das Pferd nach der Weltmeisterschaft systematisch abtrainiert worden, aber darüber habe sich Frau Kreuter nie informiert, sagt Joachim Jung. Er habe sich um das Pferd gesorgt und deshalb auf juristischem Wege eine einstweilige Verfügung beantragt. Das Landgericht Rottweil hat seinem Antrag nun stattgegeben. Sabine Kreuter muss das Pferd herausgeben.

Ein Verkauf des Pferdes steht seit Monaten zur Debatte. Vor der WM hatte Sabine Kreuter eine Verkaufssumme von einer Million Euro aufgerufen. Mehrere Sponsoren waren bereit, 600 000 Euro zu zahlen. Die Jungs wollten 400 000 Euro dazugeben, denn sie möchten das Pferd unbedingt behalten. „Sam und Michael müssen als Paar zusammenbleiben“, sagt Joachim Jung.

Die Dinge schienen einen unkomplizierten Lauf zu nehmen. Doch dann kam der Erfolg in Kentucky und mit ihm stieg Sams Marktwert. Prompt soll Sabine Kreuter erklärt haben, sie wolle Sam für das Doppelte verkaufen, also für zwei Millionen Euro. „Frau Kreuter sprach von einem Interessenten, der so viel zahlen wollte“, berichtet Jung. Genauere Angaben habe die Mehrheitseignerin jedoch nie gemacht. „Auch nach mehrmaliger schriftlicher Bitte nicht“, sagt Jung. Das kam der Familie und den Sponsoren merkwürdig vor. Mittlerweile kursiert der Verdacht, Sabine Kreuter könnte das fremde Angebot fingiert haben, um den Preis für Sam in die Höhe zu treiben.

Bei einem Verkaufspreis von zwei Millionen Euro müssten die Jungs 1,2 Millionen Euro aufwenden, um Sam zu behalten. Angeblich aber hat Frau Kreuter der Familie Sonderkonditionen angeboten – „von uns würde sie nur eine Million haben wollen“, sagt Joachim Jung. Zu viel: Mehr als die ursprünglich vereinbarten 400 000 Euro kann und will die Familie nicht zahlen.

Und Sabine Kreuter? Schweigt. Jedenfalls in der Öffentlichkeit. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel bezieht die Mehrheitsbesitzerin sehr deutlich Stellung, in der Zeitung aber mag sie von alledem nichts lesen.

Anja Brandt

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